RVG § 33
Leitsatz
Schließen die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich, in dem sie auch außergerichtliche Gegenstände vergleichen, so hat das Gericht auf Antrag der Parteien den Mehrwert des Vergleichs jedenfalls dann festzusetzen, wenn die außergerichtlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstände mit dem anhängigen Gegenstand des Verfahrens in Zusammenhang stehen.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2013 – OVG 7 L 28.13
1 Sachverhalt
In einem Verfahren über eine Anfechtungsklage hatten die Parteien sich außergerichtlich geeinigt und dabei nicht nur eine Einigung über die angefochtenen Bescheide erzielt, sondern auch über nicht anhängige Amtshaftungsansprüche wegen des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide. Nach Abschluss des Vergleichs und der damit verbundenen Erledigung des Verfahrens beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 33 RVG die Festsetzung des Mehrwerts der außergerichtlichen Einigung. Das VG hat den Wertfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Es war der Auffassung, der Wertfestsetzungsantrag sei unzulässig, Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG könne nur für anhängige Gegenstände beantragt werden, nicht aber auch für nicht anhängige Gegenstände, wenn diese nicht Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs waren, sondern durch einen außergerichtlichen Vergleich erledigt wurden. Die hiergegen erhobene Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist auch begründet. Denn das VG hat den Antrag auf Festsetzung eines Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit für die außergerichtliche Einigung in Höhe von 30.000,00 EUR zu Unrecht abgelehnt.
Es hat diese Entscheidung damit begründet, § RVG finde "nur Anwendung, wenn es sich bei den weiteren, zum Gegenstand der gerichtlichen Einigung gemachten Ansprüchen um solche handelt, die ihrerseits Gegenstand eines (gegebenenfalls anderen) gerichtlichen Verfahrens und damit rechtshängig gewesen sind". Dies folge aus dem Wortlaut der Vorschrift, der eine anwaltliche Tätigkeit "in einem gerichtlichen Verfahren" voraussetze. Dem ist nicht zu folgen. Denn die genannte tatbestandliche Voraussetzung in § 33 Abs. 1 RVG beschränkt den Anwendungsbereich der Regelung zwar lediglich auf Fälle der anwaltlichen Gebührenberechnung in einem gerichtlichen Verfahren, besagt aber keineswegs, dass die in diesem Verfahren erfolgende Festsetzung sodann inhaltlich allein auf rechtshängige Ansprüche beschränkt bleiben muss. Eine derartige Einschränkung erscheint auch vom Zweck der Regelung des § 33 RVG nicht sinnvoll, der die Wertfestsetzung anwaltlicher Gebühren ermöglichen soll, wenn trotz eines gerichtlichen Verfahrens die Regelung des § 32 Abs. 1 RVG nicht greift. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen derselben Beteiligten besteht, wie dies bei einer außergerichtlichen Einigung der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens der Fall ist, im Rahmen dessen weitere Streitigkeiten zwischen ihnen über nicht rechtshängige Ansprüche – vorliegend Schadensersatz-, Amts- oder Staatshaftungsansprüche wegen der streitgegenständlichen Bescheide – beigelegt und damit gegebenenfalls weitere gerichtliche Verfahren vermieden werden (so zumindest im Ergebnis auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.5.1999 – 1 S 1593/97; OVG Hamburg, Beschl. v. 22.11.2012 u. 11.2.2013 – 3 Bs 2013/11 u. 3 Nc 48/11; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rn 5678).
3 Anmerkung
Voraussetzung für eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ist, dass die Gebühren des Anwalts in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sind. Eine Wertfestsetzung für außergerichtliche Tätigkeiten kommt nicht in Betracht. Unproblematisch sind die Fälle, in denen die Gegenstände, deren Wert das Gericht festsetzen soll, gerichtlich anhängig waren. Problematisch sein kann die Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 33 RVG dagegen, wenn eine Wertfestsetzung für nicht anhängige Gegenstände erfolgen soll. Grundsätzlich ist dies möglich, jedenfalls dann, wenn das Gericht mit diesen Gegenständen befasst war, also etwa bei einem gerichtlichen Mehrwertvergleich oder bei bloßen Verhandlungen über nicht anhängige Mehrwerte. Wird – wie hier – ein Vergleich nur außergerichtlich geschlossen und im Hinblick darauf der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, dürfte wegen der engen Beziehung zum Verfahren eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ebenfalls noch in Betracht kommen. Verhandeln die Beteiligten dagegen anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens lediglich außergerichtlich ohne Beteiligung des Gerichts über nicht anhängige Gegenstände, fehlt es insoweit an einer gerichtsbezogenen Tätigkeit, sodass eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausscheiden dürfte. Das gilt erst Recht, wenn dem Anwalt lediglich weitergehende Aufträge erteilt worden sind, die jedoch nicht ausgeführt wurden, wie eine beabsichtigte Klageerweitung oder Widerklage. Insoweit sind immer der Sinn und Zweck des § 33 RVG zu beachten, der ein einfaches Wertfestsetzungsverfahren ermöglichen soll. Nur dann, ...