1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der frühere Verteidiger ist für den verstorbenen Beschuldigten beschwerdebefugt. Denn die ihm von dem Betreuer des Beschuldigten zu dessen Lebzeiten am 9.11.2010 ausdrücklich auch für das Kostenfestsetzungsverfahren erteilte Vollmacht wirkt gem. den §§ 168, 672, 675 BGB über den Tod des Beschuldigten hinaus (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 9.10.2002 – 1 Ws 441/02 m.w.Nachw.; Palandt/Ellenberger, BGB 71. Aufl., Rn 4 zu § 168) und ermächtigt den Verteidiger in rechtsgeschäftlicher Vertretung der Erben (vgl. OLG Hamburg NJW 1971, 2183; Palandt/Weidlich, BGB 71. Aufl., Rn 33 zu § 1922) jedenfalls noch zur Anbringung von Kostenanträgen und damit im Zusammenhang stehenden Rechtsmitteln (vgl. Senat, Beschl. v. 11.1.2008 – 1 Ws 186/07; a.A. OLG München NJW 2003, 1133). Durch die Niederlegung des Wahlmandats im Zuge seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger am 30.3.2011 ist die Vertretungsvollmacht des Rechtsanwalts nicht erloschen. Denn die Beendigung des Wahlmandats betrifft in der Regel nur das Strafverfahren und läßt die Bevollmächtigung für das Kostenfestsetzungsverfahren unberührt (vgl. OLG Hamm. Beschl. v. 12. 4. 2007 – 3 Ws 209/07; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., Rn 2 zu § 464b).

2. Das Rechtsmittel ist nur teilweise begründet.

a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin die Vergütung nach den Nrn. 4101 und 4105 VV sowie die Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) für die Tätigkeit des Verteidigers in dem Verfahren, dem der polizeiliche Sammelvorgang 101126-1225-033341 zugrunde lag, insgesamt nur einmal und nicht, wie von Rechtsanwalt S. beantragt, für jeden der unter den Nummern 100912-1251-022190, 100912-1250-022190, 100912-1300-022190 und 100917-1050-027958 geführten polizeilichen Vorgänge festgesetzt. Denn es handelte sich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, bei der die Gebühren und die Pauschale nach Nr. 7002 VV nur einmal entstehen.

Für die Beurteilung, ob bei mehreren Tatvorwürfen dieselbe Angelegenheit und ein einziger "Rechtsfall" i.S.d. Nr. 4100 VV gegeben sind, ist maßgebend, wie die Strafverfolgungsbehörden die Sache behandeln. Wird gegen den Beschuldigten in getrennten Verfahren ermittelt, ist jedes für sich eine eigene Angelegenheit. Hingegen handelt es sich gebührenrechtlich um nur eine Rechtssache, wenn die Ermittlungen wegen mehrerer Straftaten in einem Verfahren betrieben werden (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., Rn 12 zu Nr. 4100 VV; Hartmann, KostG, 41. Aufl., Rn 8 zu Nr. 4100 VV). Das stellt der Verteidiger nicht in Abrede. Seine Auffassung, dass die Ermittlungen hier zunächst in verschiedenen Verfahren geführt worden seien, trifft nicht zu.

Gegenstand der Ermittlungen war von Anfang an ein einheitlicher Lebenssachverhalt. Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, am 12.9.2010 innerhalb weniger Minuten im Zustand verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit wahllos drei Straßenpassanten angegriffen und verletzt sowie gegen seine anschließende Festnahme durch die herbeigerufenen Polizeibeamten Widerstand geleistet zu haben. Dementsprechend wurden bei der Polizeibehörde zwar für die einzelnen Straftaten und Geschädigten jeweils gesonderte Strafanzeigen mit getrennten Vorgangsnummern gefertigt, die Ermittlungen aber zusammengefasst durch einen Sachbearbeiter geführt, der für alle in Betracht kommenden Delikte einen gemeinsamen Abschlussbericht fertigte und die Sache als Sammelvorgang unter dem Geschäftszeichen 101126-1225-033341 mit einer Auflistung der als Untervorgänge bezeichneten Strafanzeigen an die Staatsanwaltschaft abgab. Der Behandlung der Sache als eine Angelegenheit steht nicht entgegen, dass der Beschuldigte zur polizeilichen Vernehmung am 9.11.2010 unter jeder Vorgangsnummer durch gesonderte Schreiben mit Angaben zu dem jeweiligen Tatvorwurf geladen worden war und sich Rechtsanwalt S. dementsprechend zu jedem Vorgang mit gesondertem Schriftsatz als Verteidiger gemeldet hatte. Ebenso unerheblich ist, dass der Sammelvorgang bei der Staatsanwaltschaft, ersichtlich nur aus statistischen Gründen, zunächst unter vier Aktenzeichen (13 Js 6104/10, 13 Js 6074/10, 13 Js 6084/10 und 13 Js 6094/10) eingetragen wurde. Denn das Verfahren wurde von Anfang an nur unter dem Aktenzeichen 13 Js 6104/10 bearbeitet.

b) Hingegen sind zusätzlich gesonderte Gebühren und Auslagen für die anwaltliche Tätigkeit in dem ursprünglich von der Amtsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren 3012 PLs 16377/10 entstanden, das nach der Übernahme durch die Staatsanwaltschaft am 23.12.2010 unter dem Aktenzeichen 13 Js 6464/10 eingetragen und zu dem führenden Verfahren 13 Js 6104/10 verbunden wurde. Der in dieser Sache gegen den Beschuldigten erhobene Vorwurf, bei seiner Zuführung in die geschlossene Abteilung des St. J.-Krankenhauses die Polizeibeamtin U. verletzt zu haben, stand zwar in einem untrennbaren Zusammenhang mit den übrigen Vorfällen vom 12.9.2010 und ist auch Gegenstand der gegen den Beschuldigten erhobenen Antragsschrift geworden. Gleichwohl handelte e...

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