Leitsatz
Ist ein Strafverfahren gem. § 205 StPO vorläufig eingestellt worden, stellt dies keine Erledigung des anwaltlichen Auftrags i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar, sodass bei Fortsetzung des Verfahrens die Gebühren und Auslagen nicht erneut anfallen.
LG München I, Beschl. v. 6.6.2013 – 18 Qs 23/13
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden, Nachdem der Angeklagte zur Hauptverhandlung am 13.11.2006 nicht erschienen war, wurde das Verfahren gem. § 205 StPO wegen unbekannten Aufenthalts des Angeklagten vorläufig eingestellt. Der Beschwerdeführer rechnete daraufhin für seine geleistete Tätigkeit eine Grundgebühr (Nr. 4100 VV), zwei Verfahrensgebühren (Nrn. 4104, 4106 VV) und eine Terminsgebühr (Nr. 4108 VV) nebst Auslagen ab. Am 18.10.2012 wurde der Angeklagte in Spanien festgenommen und am 28.11.2012 nach Deutschland überstellt. Daraufhin wurde das Strafverfahren gegen ihn fortgesetzt. Am 4.1.2013 wurde die Beiordnung des Beschwerdeführers wegen Bestellung eines Wahlverteidigers aufgehoben. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Festsetzung einer weiteren Grundgebühr nach Nrn. 4100, 4101 VV und einer Verfahrensgebühr nach Nrn. 4106, 4107 VV sowie eine weiteren Postpauschale nach Nr. 7002 VV. Er war der Auffassung, der erste Auftrag sei erledigt gewesen, sodass er gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG die Gebühren erneut berechnen dürfe. Die Rechtspflegerin hat lediglich die Differenz der zuvor verdienten Grundgebühr zu den entsprechenden Gebühren mit Haftzuschlag festgesetzt und im Übrigen die Festsetzung abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde zurückgewiesen. Auch die dagegen erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die – hier erneut geltend gemachte – Grundgebühr (Nr. 4101 VV) fällt bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur einmal in demselben Verfahren an. Auch die Postpauschale kann bereits ihrem Namen nach nur einmal in demselben Verfahren geltend gemacht werden.
Aber auch die weiter geltend gemachte Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug (Nr. 4107 VV) kann im vorliegenden Falle nicht erneut geltend gemacht werden. Die Verfahrensgebühr ist eine Gebühr, welche unabhängig vom Umfang der vom Anwalt geleisteten Tätigkeit anfällt und das "Betreiben des Geschäftes" honoriert. Es ist bei der hier gegebenen Konstellation natürlich nötig, dass der Anwalt sich nach Festnahme seines Mandanten erneut umfangreich in die Akten einarbeitet, dies ändert jedoch nichts daran, dass mit der Verfahrensgebühr die gesamte Tätigkeit des Anwaltes außerhalb der Hauptverhandlung unabhängig von ihrem Umfang abgegolten wird (vgl. für viele: Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl. 2012, RVG Nrn. 4106-4123 Rn 3).
Für eine (analoge) Anwendung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist vor diesem Hintergrund kein Raum. Die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO analog stellt keine Erledigung eines früheren anwaltlichen Auftrages i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar. Eine Verfahrensbeendigung wird hierdurch gerade nicht herbeigeführt. So sieht beispielsweise die Rspr. in der – mit der vorliegenden Konstellation vergleichbaren – Konstellation der Verfahrensaussetzung keine Erledigung i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl. 2012, § 15 Rn 189; KG RVGreport 2011, 19 [= AGS 2010, 599]).
AGS, S. 406