RVG §§ 3, 4, 33, 55 RVG VV Nr. 3106, Vorbem. 3
Leitsatz
- Durch ein Telefonat eines Rechtsanwalts mit dem gegnerischen Beteiligten, das auf eine vergleichsweise Erledigung eines Rechtsstreits gerichtet ist, entsteht unabhängig von Umfang und Intensität des Gesprächs (auch) ohne Beteiligung des Gerichts die Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV (Abweichung von Hessisches LSG, Beschl. v. 20.4.2011 – L 2 SF 311/09 E).
- Eine Zulassung der Beschwerde gem. §§ 33 Abs. 3, 56 RVG wegen Divergenz zu ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt nicht in Betracht; die Divergenzzulassung ist im Rechtsmittelrecht kein Unterfall grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage.
SG Fulda, Beschl. v. 1.7.2013 – S 4 SF 92/12 E
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG geführten Verfahrens aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.
In diesem Verfahren war die Klägerin, die sich gegen einen Anteil einer Rückforderung von SGB II-Leistungen wandte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers und Erinnerungsgegners zu 1.) – im Folgenden nur: Erinnerungsführer gewährt worden.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Erinnerungsführer, seine Vergütung aus der Staatskasse wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
250,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
470,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7007 VV |
89,30 EUR |
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559,30 EUR |
Dem folgte der Kostenbeamte unter Nichtgewährung der Terminsgebühr. Zur Begründung führte er aus, dass deren Ansatz nicht verifizierbar sei, da ein Termin nicht stattgefunden habe und auch die Voraussetzungen nach Nr. 1 bis 3 von Nr. 3106 VV nicht vorlägen.
Mit seiner Erinnerung verfolgt der Erinnerungsführer den Ansatz einer Terminsgebühr weiter. Zur Begründung führt er aus, dass am 26.4. und 11.5.2012 telefonische Erörterungen mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Herbeiführung einer vergleichsweisen Einigung stattgefunden hätten. Hierbei habe er versucht, eine Herabsetzung der festgesetzten Erstattungsforderung zu erreichen; dies habe von dem Sachbearbeiter der Beklagten letztlich nicht zugesagt werden können; vielmehr habe dieser erst noch interne Rücksprache halten müssen. Am 11.5.2012 habe er dann mitgeteilt, dass die Herabsetzung nicht möglich sei; im Falle der Klagerücknahme seien aber Zahlungserleichterungen möglich. Daraufhin sei die Klage zurückgenommen worden. Wenn auch die Verhandlung nicht zum gewünschten Erfolg geführt hätten, seien damit die Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV erfüllt.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und auf die Rspr. des Hessisches LSG verwiesen, der zufolge durch ein Telefonat nur dann eine Terminsgebühr ausgelöst werde, wenn das Gespräch Umfang und Intensität eines Gerichtstermins erreiche.
Der Erinnerungsgegner und Erinnerungsführer zu 2.) – im Folgenden nur: Erinnerungsgegner – ist der Erinnerung entgegengetreten und meint, ein Telefonat allein löse keine Terminsgebühr aus. Auch eine "fiktive" Terminsgebühr sei nicht entstanden.
Im Übrigen sei die festgesetzte Verfahrensgebühr zu hoch bemessen, da sie lediglich mit 100,00 EUR zu beziffern sei.
Der Erinnerungsführer beantragt,
1. für die Tätigkeit im Ausgangsverfahren eine Terminsgebühr von 200,00 EUR festzusetzen,
2. die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückzuweisen.
2 Aus den Gründen
1. Entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten und des Erinnerungsgegners ist vorliegend eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV angefallen. Gem. Vorbem. 3 Abs. 3 VV entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts.
a) Hierzu ist zunächst von der Rspr. der zentralen (3.) Kostenkammer des SG Fulda (AGS 2011, 601 ff.; bestätigt durch Hessisches LSG ASR 2012, 79 f.) auszugehen, wonach auch ein Telefonat allein die Gebühr gem. Nr. 3106 VV auszulösen vermag; dass es an einer persönlichen Besprechung gefehlt hat, steht daher der Vergütung der Gebühr nicht entgegen. Einer Beteiligung des Gerichts bedarf es angesichts der ausdrücklichen Regelung in Vorbem. 3 Abs. 3 VV ohnehin nicht.
Damit sind zunächst die formellen Voraussetzungen des Gebührentatbestands erfüllt, da der Erinnerungsführer entsprechend seinem Vortrag mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens telefonisch die Möglichkeiten einer vergleichsweisen Einigung erörtert hat; damit hat er an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten (telefonischen) Besprechung teilgenommen. Auch wenn sich insofern kein entsprechender Vermerk in der Verfahrensakte der Beklagten des Ausgangsverfahrens findet, hat die Kammer keine Veranlassung, diesen Vortrag des Erinnerungsführers als Organ der Rechtspflege gem. § 1 BRAO in Frage zu stellen, zumal dies auch seit...