§§ 66 Abs. 1, 69a GKG; § 152a VwGO; Nr. 5400 GKG KV
Leitsatz
Die Anhörungsrüge gegen den eine Kostenerinnerung zurückweisenden Beschluss ist kostenfrei; über sie entscheidet als "judex a quo" der funktionell zuständige Spruchkörper des Ausgangsgerichts.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.4.2021 – 8 OB 128/20
I. Sachverhalt
Der Einzelrichter des OVG Lüneburg hatte die Erinnerung des Klägers gegen den Gerichtskostenansatz durch Beschl. v. 15.2.2021 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hatte der Kläger Anhörungsrüge erhoben.
II. Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anhörungsrüge
Über die Anhörungsrüge hatte der Einzelrichter des Senats entschieden, da er die angefochtene Entscheidung getroffen hat. Dies folgert das OVG aus § 69a Abs. 4 S. 1 und S. 3 GKG, wonach "das Gericht" die Rüge zu prüfen und bei Unbegründetheit zurückzuweisen, anderenfalls nach § 69a Abs. 5 GKG das Verfahren fortzuführen hat. Mit der Formulierung "das Gericht" werde § 69a Abs. 2 S. 4 GKG in Bezug genommen, wonach die Rüge bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Entscheidung angefochten wird. Aus den Gesetzesmaterialien hat das OVG den Schluss gezogen, die Anhörungsrüge sei bei dem Gericht zu erheben, das die gerügte Entscheidung erlassen habe (judex a quo). Folglich sei für die Entscheidung im Anhörungsrügeverfahren das Gericht zuständig, das die Ausgangsentscheidung getroffen hat. Hierunter werde allgemein die funktionelle Spruchkörperzuständigkeit verstanden. Dabei müsse der zur Entscheidung über die Anhörungsrüge berufene Richter nicht notwendig derselbe sein, der die gerügte Entscheidung erlassen habe.
III. Zulässigkeit der Anhörungsrüge
Nach Auffassung des OVG Lüneburg war die Anhörungsrüge des Klägers zulässig. Er habe sie in der gesetzlichen Form und innerhalb der zwei Wochen betragenden Frist des § 69a Abs. 2 S. 1 und 3 GKG erhoben.
Nach den weiteren Ausführungen des OVG steht der Zulässigkeit der Anhörungsrüge nicht entgegen, dass der Kläger im Verfahren vor dem OVG nicht anwaltlich vertreten ist. § 69a Abs. 2 S. 4 HS 2 GKG verweise nämlich auf § 66 Abs. 5 S. 1 GKG, wonach Anträge und Erklärungen ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden können. Diese Vorschrift ist nach Auffassung des Einzelrichters des OVG Lüneburg gem. § 1 Abs. 5 GKG gegenüber den für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften der VwGO vorrangig. Außerdem verweise § 69a GKG – anders als § 152a Abs. 2 S. 5 VwGO – nicht auf § 67 Abs. 4 VwGO.
IV. Begründetheit der Anhörungsrüge
Nach Auffassung des OVG Lüneburg war die Anhörungsrüge des Klägers unbegründet. Dieser habe nicht dargetan, dass das Gericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe (§ 69a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GKG). Eine entsprechende Verletzung des rechtlichen Gehörs sei entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darin zu sehen, dass das Gesetz die angefochtene Entscheidung als unanfechtbar bezeichne. Der Kläger habe zum einen nicht dargelegt, dass durch die Entscheidung des Gesetzgebers für den Rechtsmittelausschluss eine Gehörsverletzung seitens des Gerichts vorliege. I.Ü. hat das OVG darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz zwar einen effektiven Rechtsschutz gegen gerichtliche Entscheidungen garantiere, jedoch keinen Instanzenzug gewährleisten müsse.
V. Gerichtskostenfreiheit
Am Ende seines Beschlusses hat sich das OVG Lüneburg auch zu den Gerichtskosten des Anhörungsrügeverfahrens geäußert. Im Tenor seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Verfahren sei gebührenfrei. In den Beschlussgründen hat das OVG seine Entscheidung damit begründet, das GKG KV sehe einen Gebührentatbestand für die Zurückweisung der Anhörungsrüge nach § 69a GKG nicht vor. Der für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Betracht kommende Gebührentatbestand der Nr. 5400 GKG KV nenne lediglich die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Eine erweiternde Auslegung auf die Anhörungsrüge nach § 69a GKG komme nicht in Betracht, da insoweit ein Analogieverbot gelte.
VI. Bedeutung für die Praxis
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Hinsichtlich der Gerichtsgebühr und der Anwaltsvergütung im Anhörungsrügeverfahren s. meine Anmerkungen zu VGH Baden-Württemberg (AGS 2021, 416, in diesem Heft).
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 9/2021, S. 415 - 416