Auch kann es vorkommen, dass mehrere Tätigkeitsgebühren anzurechnen sind, wenn die anwaltliche Tätigkeit in einem gemeinsamen Verfahrensabschnitt endet. Typisch für sozialrechtliche Mandate ist vor anwaltlicher Vertretung im Verwaltungs- und/oder Klageverfahren eine anwaltliche Tätigkeit der Beratung (Nr. 2501 VV) oder Vertretung (Nr. 2503 VV) nach dem BerHG. Die dort verdiente Beratungs- oder Geschäftsgebühr ist sodann ebenfalls anzurechnen.
Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 2500 VV ist die Beratungsgebühr auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit anzurechnen, die mit der Beratung zusammenhängt.
Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV ist die Gebühr auf ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen.
Zu beachten ist jedoch bei jeder Anrechnung mehrerer Gebühren auf eine Gebühr die Anrechnungshöchstgrenze von 207,00 EUR. Dieser Anrechnungshöchstbetrag lag vor dem KostRÄG 2021 bei 175,00 EUR. Die genau 18,28571 %ige Erhöhung sorgt in der Praxis nach wie vor für Kopfschütteln.
Der maximal anrechnungsfähige Höchstbetrag 207,00 EUR wird nicht durch eine Mehrvertretung erhöht und ist also auch bei Anrechnung mehrerer Tätigkeits- oder Geschäftsgebühren auf eine einheitliche Gebühr die absolute Grenze. Dies ist durch § 15a Abs. 2 S. 3 RVG nun eindeutig klargestellt.
Beispiel: Anrechnung Geschäftsgebühren aus Beratungshilfe und außergerichtlicher Vertretung
Der in der Beratungshilfe bereits mit der Angelegenheit befasste Rechtsanwalt vertrat den Mandanten weiterhin im vorgerichtlichen Widerspruchsverfahren. Auch im gerichtlichen Verfahren war derselbe Anwalt tätig.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu tragen, welche einheitlich zur Kostenfestsetzung beantragt werden (Durchschnittsfall).
Abrechnung gegenüber der Landeskasse:
I. Beratungshilfe |
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Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV |
93,50 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
18,70 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
21,32 EUR |
Gesamt |
133,52 EUR |
Abrechnung gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner:
II. Widerspruchsverfahren |
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Geschäftsgebühr, Nr. 2302 VV |
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359,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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72,01 EUR |
Gesamt |
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451,01 EUR |
III. Klageverfahren |
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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360,00 EUR |
Anrechnung I. |
– 46,75 EUR |
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Beratungshilfe |
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gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV |
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Anrechnung II. |
– 179,50 EUR |
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Widerspruchsverfahren |
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gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV i.V.m. § 15a RVG |
= – 226,25 EUR |
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aber Anrechnungshöchstbetrag |
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– 207,00 EUR |
gem. § 15 Abs. 2 S. 3 RVG |
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Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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32,87 EUR |
Gesamt |
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205,87 EUR |
Der Dritte kann sich gem. § 15a Abs. 3 3. Alt. RVG auf die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr berufen, da diese gleichzeitig geltend gemacht werden. Die Anrechnung ist wie oben dargestellt durchzuführen.