§ 38 InsO
Leitsatz
Der Anspruch auf Zahlung der Kosten des strafprozessualen Revisionsverfahrens wird im insolvenzrechtlichen Sinne erst mit der Einlegung der Revision begründet. Daher handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kostenforderung nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO.
BGH, Beschl. v. 23.7.2021 – 4 StR 36/19
I. Sachverhalt
Der BGH hatte mit Beschl. v. 4.7.2019 auf die Revision des Verurteilten ein Urteil des LG Halle (Saale) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das LG den Verurteilten dann rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.
Daraufhin sind mit Kostenansatz vom 14.12.2020 Gebühren für das Revisionsverfahren i.H.v. insgesamt 840,00 EUR gegen den Verurteilten festgesetzt worden. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der Erinnerung. Er macht sinngemäß geltend, der Kostenansatz sei unzulässig, da im Jahr 2016 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden sei. Die Gebühren hätten daher zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen. Das hat der BGH anders gesehen.
II. Insolvenzforderung/Neuforderung
Nach Auffassung des BGH hat die Kostenbeamtin nach §§ 19 Abs. 2 S. 4, 3 Abs. 2 GKG eine Gebühr i.H.v. 840,00 EUR für das Revisionsverfahren angesetzt. Diese bemesse sich auf den 2,0-fachen Satz des Festbetrages von 420,00 EUR, der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Kostenentscheidung (vgl. § 71 Abs. 2 GKG) für eine rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen war. Die Höhe der Gebühr ergebe sich gem. § 3 Abs. 2 GKG aus der Vorbem. 3.1 sowie den Nrn. 3130 und 3112 GKG KV in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung.
Dem Kostenansatz stehe die Regelung des § 87 InsO nicht entgegen, da es sich bei dem Anspruch der Staatskasse auf Zahlung der durch die Revision des Angeklagten veranlassten Verfahrenskosten nicht um eine Insolvenzforderung, sondern um eine Neuforderung handelt. Die Staatskasse sei insoweit nicht Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO.
Insolvenzgläubiger seien diejenigen persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine solche Insolvenzforderung liege vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, möge sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs müsse schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich sei, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig sei.
Nach diesem Maßstab handele es sich bei der Kostenforderung nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Denn der Anspruch auf Zahlung der Kosten des strafprozessualen Revisionsverfahrens werde im insolvenzrechtlichen Sinne erst mit der Einlegung der Revision begründet. Erst mit der Revisionseinlegung werde die Grundlage für den später durch die Kostengrundentscheidung entstehenden Anspruch der Staatskasse geschaffen, die durch das Prozessverhalten des Rechtsmittelführers nicht mehr beseitigt werden könne. Da der Verurteilte hier die Revision gegen das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des LG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt habe, sei der Kostenanspruch zum Eröffnungszeitpunkt noch nicht begründet gewesen.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend. Sie entspricht der insolvenzrechtlichen Rspr. des BGH (vgl. a. BGH ZVI 2011, 408 m.w.N.; WM 2014, 470 = RVGreport 2014, 280; s.a. BFH ZIP 2011, 1066). Danach liegt eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO nur vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich die Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Dabei muss nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein; unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 9/2021, S. 426 - 427