a) Allgemeines
Besonders umfangreich ist ein Strafverfahren, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" vergleichbaren Sache zu erbringen hat. Der Pauschgebührenantrag kann zur Begründung des "besonderen Umfangs" allerdings nur noch bedingt auf vor dem 1.7.2004 ergangene Rspr. gestützt werden. Bei dem Verfahren, in dem der Rechtsanwalt tätig war, muss es sich aber nicht um ein "exorbitantes" Verfahren gehandelt haben. Die in Rspr. und Lit. dazu teilweise vertretene a.A. ist falsch und lässt sich auch nicht den Gesetzesmaterialien entnehmen. Diese Auffassung wäre allenfalls dann berechtigt, wenn die Pauschgebühr ein "besonders schwieriges und umfangreiches Verfahren" voraussetzen würde; das ist aber nicht der Fall. Besondere Schwierigkeit und besonderer Umfang i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG werden nicht durch das Stellen von Anträgen in der Hauptverhandlung herbeigeführt, die den Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschreiten, wie z.B. Rechtshilfeersuchen an al Baghdadi und Vernehmung einer Zeugin durch den Sharia-Richter des IS in Raqqa.
Bei der Beurteilung des besonderen Umfangs gehen die OLG – auch bei verfahrensabschnittsweiser Geltendmachung einer Pauschgebühr – davon aus, dass die Erschwerung der Verteidigertätigkeit in einer Hinsicht, etwa wegen des Aktenumfangs und kurzer Einarbeitungszeit, durch ihre Erleichterung in anderer Hinsicht, z.B. durch die geringe Terminsdichte und eine unterdurchschnittliche Terminsdauer, ganz oder teilweise kompensiert werden kann. M.E. ist das unzulässig. Dazu verweise ich nochmals auf die Gesetzesbegründung zu § 51 RVG. In der BT-Drucks 15/1971, 201 heißt es zu der vom RVG ausdrücklich geschaffenen Möglichkeit, eine Pauschgebühr auch verfahrensabschnittsweise beantragen zu können, was bis dahin in der Rspr. der OLG umstritten war:
Zitat
"Abs. 1 S. 1 sieht vor, dass die Pauschgebühr entweder für das ganze Verfahren oder, wenn nur einzelne Verfahrensabschnitte besonders umfangreich oder schwierig gewesen sind, für diese einzelnen Verfahrensabschnitte gewährt wird. Wird nur für einen einzelnen Verfahrensabschnitt eine Pauschgebühr gewährt, sind nach Abs. 1 S. 3 die Gebühren des Vergütungsverzeichnisses, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen."
Dieses Zusammenspiel zeigt m.E. mehr als deutlich, dass es – auch bei der verfahrensabschnittsweisen Beantragung einer Pauschgebühr – bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 51 RVG immer auch nur auf diesen Verfahrensabschnitt und die in ihm erbrachten Tätigkeiten ankommen kann. Alles andere führt dazu, dass Birnen mit Äpfeln verglichen werden, bzw.: Man negiert (auch) den Willen des Pflichtverteidigers, der sich mit den gesetzlichen Gebühren für andere Verfahrensabschnitte zufrieden gibt und sie als zumutbar ansieht.
b) Objektive Gesamtumstände
Der besondere Umfang des Verfahrens bemisst sich i.Ü. aufgrund der objektiven Gesamtumstände nach dem zeitlichen Aufwand der jeweiligen Verteidigertätigkeit. Bei der Bewilligung einer Pauschgebühr ist aber nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat, was Bedeutung für die Berücksichtigung von Fahrtzeiten hat, die grds. nicht herangezogen werden. Das OLG Nürnberg ist allerdings davon ausgegangen, dass überproportionaler Zeitaufwand für die Fahrt des Pflichtverteidigers vom Kanzleiort zu Haftprüfungsterminen und Besprechungsterminen mit seinem Mandanten bei der Bemessung der Pauschgebühr zu berücksichtigen ist. Nach Auffassung des OLG Köln soll durch JVA-Besuche entstandener zeitlicher Mehraufwand des Pflichtverteidigers bei der ...