Die OLG halten nach wie vor an der schon zur BRAGO geltenden Rspr. fest, wonach die Wahlverteidigerhöchstgebühren die Höchstgrenze für eine Pauschgebühr bilden, die nicht oder nur in Ausnahmefällen überschritten werden soll. Das ist m.E. nicht zutreffend. Dass die Wahlverteidigerhöchstgebühr nicht die Grenze für die Pauschgebühr sein muss, zeigt i.Ü. auch schon § 42 Abs. 1 S. 4 RVG. Deshalb ist es zutreffend, wenn das OLG Nürnberg eine Begrenzung der Höhe des Pauschgebührenanspruchs eines bestellten Beistandes/Verteidigers in analoger Anwendung von § 42 Abs. 1 S. 4 RVG auf das Doppelte der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers abgelehnt hat.
Das OLG Nürnberg hat in seinem Beschl. v. 30.12.2014 teilweise Kriterien für die Bemessung der Pauschgebühr mitgeteilt, wenn es um die Überschreitung der Wahlanwaltshöchstgebühren geht. Danach richtet sich das Maß der in solchen Ausnahmefällen zulässigen Überschreitung der Höchstgebühr des Wahlanwalts nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Für die Berechnung der Pauschgebühr können die für die konkrete Tätigkeit des Pflichtverteidigers anfallenden Gebührentatbestände als Bemessungsgrundlage herangezogen und entsprechend dem Aufwand sowie dem Sonderopfer des Pflichtverteidigers im jeweiligen Verfahrensabschnitt – etwa durch Vervielfältigung – erhöht werden. Hierbei soll eine Erhöhung der Terminsgebühren wegen der gesetzlich geregelten Längenzuschläge nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa bei einem außerordentlichen Zeitaufwand für die Anreise zum Hauptverhandlungstermin. Führt eine Verständigung zu einer wesentlichen Verkürzung der Hauptverhandlung, honoriert das OLG Nürnberg das grds. nicht durch eine Anhebung der gesetzlichen Terminsgebühren. Hat der Pflichtverteidiger aber durch eine intensive Vorbereitung des Verfahrens die Grundlagen für die Verständigung gelegt, ist im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr ggfs. eine zusätzliche Anhebung der Verfahrensgebühr möglich. Nach Auffassung des OLG Celle soll nur in Ausnahmefällen im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr eine Anhebung der dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Terminsgebühr möglich sein. Dies komme in Betracht, wenn an sich in die Hauptverhandlung fallende Vorgänge – etwa das Verlesen von Urkunden durch Anordnung des Selbstleseverfahrens – nach außen verlagert werden oder im Rahmen der Hauptverhandlung neue Unterlagen bekannt werden, die eine intensive Vor- oder Nachbereitung erfordern.
Auch das OLG Saarbrücken hat in seinem Beschl. v. 11.5.2015 Kriterien zur Bemessung einer Pauschgebühr dargelegt. Danach ist u.a. ein erheblicher Zeitaufwand im Ermittlungsverfahren für Besuche und Besprechungen auch in einer auswärtigen Justizvollzugsanstalt – besonderer Zeitaufwand für vier Vernehmungen, davon zwei in auswärtiger Justizvollzugsanstalt – zu berücksichtigen. Demgegenüber ist ein Aktenumfang von 2.602 Seiten Hauptakte, zwei Vernehmungsaktenbände, eine TKÜ-Akte, neun weitere Beiakten für eine Wirtschaftsstrafkammer ebenso üblich wie ein Zeitaufwand von 1 Stunde bzw. 1,5 Stunden für einen Haftbefehlsverkündungstermin bzw. eine Haftbeschwerde; auch ist ein Zeitaufwand von 4,5 Stunden für Vorbereitungsbesprechungen auf die Hauptverhandlung kein (besonderer) Zeitaufwand, der nicht bereits über Nrn. 4118, 4119, 4120, 4121 VV abgegolten wäre.
Das OLG Stuttgart erhöht bei der Bewilligung einer Pauschgebühr (in einem Staatsschutzverfahren) unter Außerachtlassung der Terminsgebühren die Grund- und Verfahrensgebühren und sieht darin den richtigen Maßstab für die Bemessung der Pauschgebühr. Diese Annahme begründet das OLG mit einem Hinweis auf die gesetzgeberische Grundentscheidung, allein bei den Terminsgebühren eine Abstufung vorzunehmen, was sich insbesondere bei sog. Umfangsverfahren auswirken könne. Das OLG Stuttgart hat zudem die ggfs. durch COVID-19 bzw. den Erreger SARS-CoV-2 bestehende Einschränkungen im Verfahren, wie z.B. kurzfristig ausfallende Hauptverhandlungstermine, bei der Bemessung einer Pauschgebühr berücksichtigt.
I.Ü. ist auf Folgendes hinzuweisen: Das OLG Stuttgart zieht dann, wenn der bestellte Verteidiger an einem ganztägigen Hauptverhandlungstag weniger als eine Stunde lang teilgenommen hat, die Terminsgebühr für diesen Tag von der Pauschgebühr ab, weil der Verteidiger dadurch bereits selbst für seine finanzielle Entlastung gesorgt und damit das Ausmaß der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren verringert hat. Das OLG München hat für die Teilnahme des Rechtsanwalts an drei Vernehmungsterminen außerhalb der Hauptverhandlung und für eigene Ermittlungstätigkeiten 312,50 EUR für drei Vernehmungstermine und 600,00 EUR für die eigenen Ermittlungen bewilligt. Das OLG Hamm berücksichtigt bei der Bewilligung einer Pauschgebühr eine prozessökonomische Tätigkeit des Pflichtverteidigers wie geständige Einlassung des Angeklagten und Hauptverhandlung an nur einem Tag. Das BVerfG hat eine Pauschgebühr für einen Zeugenbeistand, der an einer Vernehmu...