Das OLG München hat seine bisherige Rspr. aufgegeben und sich nunmehr der ganz überwiegenden Auffassung in Rspr. und Lit. angeschlossen, wonach die Staatskasse nicht gehindert ist, gem. § 59 RVG auf sie übergegangene Ansprüche nach § 126 ZPO gegen eine unterlegene Partei auch dann geltend zu machen, wenn dieser ebenfalls PKH bzw. VKH bewilligt worden ist.
1. Gesetzeswortlaut und Gesetzesmaterialien
Gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO bewirkt die Bewilligung der PKH, das die Bundes- oder Landeskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, geltend machen kann. Nach Auffassung des OLG München könnte die Verwendung des Plurals in dieser Vorschrift ("beigeordnete Rechtsanwälte") allenfalls ein Indiz dafür sein, dass damit auch Ansprüche der Rechtsanwälte eines obsiegenden Gegners gemeint seien. Die Gesetzesfassung könnte jedoch auch dafür sprechen, dass – zumindest theoretisch – auch die Beiordnung von zwei Rechtsanwälten denkbar sei. Jedenfalls sieht das OLG München in der Verwendung des Plurals durch den Gesetzgeber kein entscheidendes Argument dafür, dass § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO auch Ansprüche aus § 126 ZPO sperrt, sofern diese auf die Staatskasse übergegangen seien. Unter Hinweis auf die Argumentation des OLG Celle (Nds. Rpfl. 2014, 275) hat das OLG München die Auffassung vertreten, dies lasse sich den Gesetzesmaterialien keineswegs eindeutig entnehmen. Außerdem habe der Gesetzgeber in § 123 ZPO eindeutig vorgegeben, dass die Bewilligung von PKH/VKH keinen Einfluss auf die Kostenerstattung hat. Angesichts dieser Vorschrift hätten Vorstellungen des Gesetzgebers ohnehin keine entscheidende Bedeutung.
2. Zweck der Verfahrenskostenhilfe
In seiner bisherigen Rspr. hatte das OLG München auf den Zweck der VKH abgestellt. Nach seiner aktuellen Auffassung steht dieser Zweck einer Geltendmachung der Ansprüche der Rechtsanwälte über § 59 RVG nicht entgegen. Auch eine weniger bemittelte Partei solle nämlich die Chance erhalten, ihre Rechte durchzusetzen. Aus diesem Grunde übernehme die Staatskasse für sie gem. § 122 ZPO sowohl die Gerichts- als auch die Anwaltskosten. Eine klare Aussage dazu, dass diese Unterstützung auch die Anwaltskosten eines obsiegenden Gegners umfasse, findet sich nach den Ausführungen des OLG München im Gesetz hingegen nicht. Vielmehr bleibe es auch bei dem auf die Staatskasse übergegangenen Anspruch bei der Wertung des § 123 ZPO, dass die Bewilligung von PKH/VKH keinen Einfluss auf die Kostenerstattung habe (OLG München FamRZ 2019, 1080; OLG Hamm AGS 2017, 237 = RVGreport 2017, 136 [Hansens].
Zwar diene die Bewilligung von PKH/VKH einer Unterstützung der Partei davor, mit Verfahrenskosten belastet zu werden. Die Folge, dass eine teilweise unterliegende bedürftige Partei dem Gegner – und im Falle des Forderungsübergangs nach § 59 RVG auch der Staatskasse – Kosten zu erstatten habe, sei in der gesetzlichen Ausgestaltung immanent. Hätte nämlich der Gesetzgeber gewollt, dass eine Partei auch im Falle des Unterliegens nicht für gegnerische Anwaltskosten aufzukommen habe, hätte er dies deutlich regeln können. Vor alledem würden – so fährt das OLG München fort – in diesem Falle die §§ 123 und 126 ZPO nicht mehr passen. Ferner verweist das OLG München darauf, dass der Gesetzgeber im Laufe der letzten Jahre, insbesondere im Jahr 2013, mehrfach kostenrechtliche Änderungen vorgenommen habe, dies jedoch nicht in den hier anwendbaren Vorschriften (so auch OLG Celle Nds. Rpfl. 2014, 275).
Demzufolge hat sich das OLG München der ganz herrschenden Auffassung angeschlossen, wonach die Staatskasse auf sie übergegangene Ansprüche von Rechtsanwälten nach § 126 ZPO auch gegen eine Partei geltend machen kann, der gleichfalls PKH oder VKH gewährt worden ist.
3. Durchsetzbarkeit des übergegangenen Anspruchs
Die Frage, ob die Staatskasse auf sie übergegangene Forderungen gegen eine Partei, der PKH/VKH ohne Ratenzahlung bewilligt worden ist, geltend machen soll bzw. ob dies Erfolg verspricht, ist nach Einschätzung des OLG München eine Frage der Praktikabilität. Durch § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO sei dies der Staatskasse jedenfalls nicht untersagt.