Die Entscheidung ist falsch.
1. Rat, zunächst zu schweigen
Die Entscheidung ist nicht auf dem Stand der aktuellen Rspr. Denn es haben gerade erst zwei AG zutreffend entschieden, dass auch in den Fällen, in denen mitgeteilt wird, dass der Beschuldigte zunächst schweigen wird, die Gebühr Nr. 4141 VV entsteht, wenn dann das Verfahren eingestellt wird (AG Augsburg, Urt. v. 20.12.2021 – 21 C 2535/21, AGS 2022, 69; AG Strausberg, Urt. v. 23.3.2022 – 9 C 166/21, AGS 2022, 317). Und das ist zutreffend (vgl. meine Anmerkungen zu AG Augsburg und AG Strausberg, a.a.O.). Etwas anderes folgt auch nicht aus meinen vom AG angeführten Ausführungen in Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Denn abgesehen davon, dass das AG hier übersieht, dass die beiden angeführten Entscheidungen nach dem Erscheinen der 25. Aufl. ergangen sind, ergibt sich auch aus der Formulierung dort und dem Hinweis auf die Entscheidung des AG Wiesbaden (AGS 2014, 64 = RVGreport 2014, 274 = VRR 2014, 159 = StRR 2014, 276) nichts anderes. Denn es ist an der Stelle mit "soll nicht entstehen" formuliert, woraus deutlich wird – dem AG Hannover aber offenbar nicht –, dass der Verfasser nicht der Auffassung der angeführten AG-Entscheidung ist. Es ist i.Ü. aus Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., auch nicht zu entnehmen, dass das Entstehen der zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 VV voraussetzt, dass sich der Beschuldigte klar und deutlich auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft. Vielmehr lässt sich der Kommentierung entnehmen, dass das eine Empfehlung an den Verteidiger ist, um Klarheit zu schaffen und solche Entscheidungen wie die des AG Hannover zu vermeiden (zu allen auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4141 VV Rn 16 m.w.N.).
2. Keine Ursächlichkeit erforderlich
Der Hinweis des AG auf die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft "nach eigener Prüfung der Beweislage" legt den Schluss nahe, dass das AG offenbar meint, die Mitwirkungshandlung des Verteidigers müsse ursächlich für die Einstellung gewesen sein. Auch das ist unzutreffend (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4141 Rn 219). Vielmehr reicht jede auf die Förderung der Einstellung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts aus, wenn die Handlung objektiv geeignet war. Dass das bei der Mitteilung, der Mandant werde zunächst schweigen der Fall ist, liegt m.E. auf der Hand. Der Fall zeigt anschaulich, dass die Staatsanwaltschaft dann prüfen muss, ob die vorliegenden Beweismittel ausreichen, um den Beschuldigten ggfs. der ihm zur Last gelegten Tat zu überführen. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass das nicht der Fall ist und stellt das Verfahren ein, führt zwar die "eigene Prüfung der Beweislage" zur Einstellung, aber eben nicht allein, sondern auch wegen der mitgeteilten Schweigeabsicht des Beschuldigten. Mehr ist nicht erforderlich.
3. Hinweise an den Verteidiger
Zum Schluss noch einmal der Rat: Wenn der Mandant schweigen soll, schweigt er, und dann sollte auch nur das der Staatsanwaltschaft/dem Gericht mitgeteilt werden. Der Mandant schweigt, wenn ggfs. auch erst mal nur "derzeit". Aber darüber muss man die Staatsanwaltschaft/das Gericht nicht informieren. Man vergibt sich als Verteidiger nichts, wenn man diese Einschränkung ("derzeit") weglässt. Das ist sogar vorteilhaft, denn man vermeidet solche (falschen) Entscheidungen wie die des AG Hannover.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 9/2022, S. 417 - 418