1. Beschwerde des Klägers
Das OLG Nürnberg hat die Beschwerde des Klägers als gem. § 66 Abs. 2 S. 1 GKG statthaft angesehen. Sein Antrag auf Niederschlagung der Sachverständigenkosten sei als eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG umzudeuten, unabhängig davon, ob dem Kläger zwischenzeitlich eine Gerichtskostenrechnung zugegangen sei oder noch nicht. Gegen eine den Antrag des Kostenschuldners (hier des Klägers) zurückweisende Entscheidung des Erstgerichts über die Niederschlagung von Gerichtskosten finde deshalb die Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 GKG statt. Hierbei handele es sich um einen Teil des Kostenansatzverfahrens (NK-GK/Fölsch, 3. Aufl., 2021, § 21 GKG Rn 3).
2. Keine unrichtige Sachbehandlung
a) Gesetzliche Regelung
Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Zu den von dieser Vorschrift erfassten Gerichtskosten gehören nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 1 GKG a.E. Gebühren und Auslagen. Auslagen in diesem Sinne sind nach Nr. 9005 GKG KV auch die nach dem JVEG zu zahlenden Beträge, mithin auch das an den vom LG Amberg mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragten Sachverständigen gezahlte Honorar (§ 9 JVEG).
b) Definition der unrichtigen Sachbehandlung
Nach den Ausführungen des OLG Nürnberg liegt eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG vor, wenn das Gericht offensichtlich und eindeutig gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat bzw. diese grob verkannt hat (so BGH NJW 1962, 2107 und NJW-RR 2003, 1294). Dabei führe nicht jeder Verfahrensfehler oder sonstige Fehler des Gerichts zur Anwendung des § 21 GKG.
In Anwendung dieser Grundsätze war dem LG Amberg nach Auffassung des OLG Nürnberg kein Verfahrensfehler vorzuwerfen, schon gar kein schwerwiegender.
c) Änderung der Rechtsauffassung keine unrichtige Sachbehandlung
Das OLG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass die Einzelrichterin des LG Amberg den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 25.2.2021 in der gem. § 139 ZPO gebotenen Weise ihr Verständnis von der Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen mitgeteilt habe. Die Richterin habe diese Rechtansicht ausdrücklich als eine vorläufige bezeichnet und wiederum als Ergebnis einer vorläufigen Bewertung auf die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens verwiesen.
Nach Auffassung des OLG Nürnberg war diese Rechtsansicht zumindest vertretbar. Keinesfalls sei sie offensichtlich unhaltbar. Denn im Februar 2021 sei das Meinungsbild in der instanzgerichtlichen Rspr. zur Auslegung und Anwendung der Bedingungen der Betriebsschließungsversicherung auf die behördlich verfügte Schließung im Rahmen der Corona-Pandemie uneinheitlich gewesen. Weder das dem LG Amberg übergeordnete Berufungsgericht, nämlich der erkennende Senat des OLG Nürnberg, noch der BGH hätten zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen zu vergleichbaren Klauseln getroffen. Dies gelte auch für den Zeitpunkt des Erlasses des Beweisbeschlusses vom 23.3.2021.
d) Keine Verpflichtung zur Aussetzung des Rechtsstreits
Ferner hat das OLG Nürnberg darauf hingewiesen, dass das LG Amberg bei dieser Sachlage nicht verpflichtet gewesen sei, von Amts wegen auf ein Ruhen des Verfahrens hinzuwirken, um Entscheidungen höherer Instanzen abzuwarten.
e) Keine Erkundigungspflicht
Das LG sei auch nicht gehalten gewesen, sich auf dem Dienstweg zu erkundigen, ob bei dem zuständigen Berufungsgericht bereits Rechtsmittel anhängig seien und wann ggfs. mit einer entsprechenden Entscheidung zu rechnen sei. Im Gegenteil habe das LG das Verfahren weiter fördern müssen, nachdem der zunächst geschlossene Vergleich widerrufen worden war. Dabei habe das LG verfahrensrechtlich einwandfrei Sachverständigenbeweis erhoben und bei dem beweispflichtigen Kläger einen entsprechenden Vorschuss angefordert.
f) Anschluss an die neue Rechtsprechung des Berufungsgerichts
Nach Auffassung des OLG Nürnberg stellte es auch keine unrichtige Sachbehandlung dar, dass das LG seine bisherige Rechtsansicht nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens aufgegeben und sich der zwischenzeitlich ergangenen Rspr. des erkennenden Senats des OLG Nürnberg zu vergleichbaren Versicherungsbedingungen (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 5.11.2021 – 8 U 322/21) angeschlossen hat. Diese Rspr. sei sodann auch durch Urt. des BGH v. 26.1.2022 (VersR 2022, 312) bestätigt worden. Demzufolge habe das LG Amberg gem. § 139 Abs. 2 ZPO zu Recht auf seine geänderte Rechtsauffassung hingewiesen. Dies und die vorgenannte Rspr. hätten zur Folge gehabt, dass die Prozessaussichten des Klägers naturgemäß rapide gesunken seien. Deshalb sei es für ihn ratsam gewesen, auf das Vergleichsangebot der Beklagten einzugehen.
g) Beweisaufnahme überflüssig geworden
Das OLG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass sich infolgedessen die vom LG zunächst angeordnete und dann durchgeführte Beweisaufnahme später wegen geänderter Rechtsauffassung als überflüssig erwiesen haben mag. Dies rechtfertige es jedoch nicht, die hierdurch angefallen Kosten...