Nrn. 4102, 4103 VV RVG
Leitsatz
Für das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV ist erforderlich, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein muss, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2022 – 17 Qs-110 Js 6494/20-22/22
I. Sachverhalt
Der (Pflicht-)Verteidiger hat am 4.7.2020 an einem Termin teilgenommen, in dem gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen und anschließend verkündet worden ist. Der Beschuldigte hat Angaben zur Person, aber nicht zur Sache gemacht. Der Rechtsanwalt ist in dem Termin zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten bestellt worden.
Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat der Verteidiger dann nach Einstellung des Verfahrens auch eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4103 Nr. 3 VV geltend gemacht. Diese ist dann auf die Erinnerung des Verteidigers durch das AG festgesetzt worden (vgl. AG Neuss, Beschl. v. 18.5.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20, AGS 2022, 313). Das AG hatte eine dienstliche Stellungnahme "des im Anhörungs- und Haftbefehlsverkündungstermins am 4.7.2020 gegenwärtigen Richters" hinsichtlich der Frage eingeholt, ob in dem Termin eine Erörterung bzw. Verhandlung zu der Anordnung der Untersuchungshaft stattgefunden habe. Der seinerzeit gegenwärtige Richter hatte daraufhin dahingehend Stellung genommen, dass seine Erinnerungen an den Termin unscharf seien. Üblicherweise erfolge in seinen Terminen jedoch jedenfalls eine kurze Erörterung zum Vorliegen des Haftgrundes.
Gegen die Festsetzung der Vernehmungsterminsgebühr hat der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt, die beim LG Erfolg hatte. Der Verteidiger hat im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass im Termin Fragen der Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf dessen Suchterkrankung und der Voraussetzungen der Fluchtgefahr diskutiert worden seien. Er sei für den Termin an dem betreffenden Samstag inklusive Fahrtzeit mit dem Pkw aus dem benachbarten Düsseldorf mehr als drei Stunden im Einsatz gewesen. Ab seinem Eintreffen beim AG Neuss seien mehr als zwei Stunden vergangen, bevor gegen seinen Mandanten Haftbefehl erlassen worden sei.
II. Vernehmungsterminsgebühr (Nr. 4102 Nr. 3 VV)
1. Sinn und Zweck der Regelung
Das LG hat das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr verneint, weil in dem Anhörungstermin am 4.7.2020 nicht über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt worden sei. Die Nr. 4102 Nr. 3 VV sehe eine Terminsgebühr (nur) für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Mit dem Erfordernis des "Verhandelns" habe der Gesetzgeber erreichen wollen, dass die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht von diesem Gebührentatbestand erfasst werden und die Teilnahme des Rechtsanwalts an derartigen Terminen nicht gesondert honoriert werde (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks 15/1971, 223; u.a. OLG Bamberg AGS 2021, 169 = JurBüro 2021, 241 = NStZ-RR, 231 [Ls.]; OLG Hamm RVGreport 2006, 469 = AGS 2006, 122 m. Anm. Madert = AGS 2006, 179 = Rpfleger 2006, 226 = JurBüro 2006, 136; OLG Saarbrücken StraFo 2014, 201 = StRR 2014, 517), es sei denn, an die Verkündung des Haftbefehls schließt sich eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks 15/1971, 223). Der Sinn der Nr. 4102 Nr. 3 VV sei es demnach, den Zeitaufwand desjenigen Anwalts zu vergüten, der anlässlich eines Haftprüfungstermins oder Haftbefehlserörterungstermins sachbezogene Stellungnahmen abgibt und damit zur Verfahrensförderung und -beschleunigung beiträgt (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 23.8.2013 – 4 KLs 24/12; Beschl. v. 25.3.2005 – 1 Qs 9/04).
2. Tätigkeiten im Termin
Das bedeute, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein müsse, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt habe, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (vgl. KG, Beschl. v. 31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Saarbrücken, a.a.O.). Insofern begründe insbesondere der Antrag des Rechtsanwalts, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, keine Verhandlung im gebührenrechtlichen Sinn (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.; LG Düsseldorf, Beschl. v. 23.8.2013 – 4 KLs 24/12). Ein "Verhandeln" liege des Weiteren auch nicht schon dann vor, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen und dieser hierauf schweigt. Denn auch in einem solchen Fall erschöpfe sich der Termin nach außen hin in der bloßen Abfolge der ohnehin gesetzlich vorgesehenen Förmlichkeiten eines Vorführungstermins gem. § 128 StPO (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Jena, Beschl. v. 15.10.2013 – 1 Ws 344/13, RVGreport 2014, 24).
3. Erörterungen
Zwar habe hier zu Beginn des Vorführungstermins gem. § 1...