1. Objektives wirtschaftliches Interesse des Angeklagten
Der Gegenstandswert für die Einziehung richte sich nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Anordnung (BGH, Beschl. v. 30.4.2014 – 1 StR 53/13, wistra 2014, 326; Beschl. v. 7.10.2014 – 1 StR 166/07, RVGreport 2015, 35; Beschl. v. 29.11.2018 – 3 StR 625/17, RVGreport 2019, 102; Beschl. v. 22.5.2019 – 1 StR 471/18, RVGreport 2019, 431). Maßgeblich sei – wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess – der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswerts wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs sei generell weder im Streitwert- noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es komme daher nicht darauf an, ob wegen einer Vermögenslosigkeit des Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – 1 StR 471/18, a.a.O., für das Revisionsverfahren; anders für den Arrest BGH, Urt. v. 8.11.2018 – III ZR 191/17, AGS 2018, 558). Beanstande die Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren, das LG habe zu Unrecht davon abgesehen, den Verfall von Wertersatz anzuordnen, bemesse sich der Gegenstandswert im Revisionsverfahren nach dem von der Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision verfolgten Ziel, mithin der von ihr erstrebten Höhe der Anordnung des Verfalls von Wertersatz (BGH, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 StR 245/09, RVGreport 2015, 193). Die für die Wertgebühr maßgebende Höhe des Verfalls des Wertersatzes könne sich nur nach den zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beratung erkennbaren Anhaltspunkten in der Verfahrensakte, nicht jedoch nach dem in der Hauptverhandlung gestellten Schlussantrag der Staatsanwaltschaft richten. Ob sich später, etwa in der Hauptverhandlung, Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert ergeben haben, sei ebenso unerheblich wie der Umstand, in welcher Höhe letztlich das Gericht die Einziehung von Wertersatz festgesetzt habe. Der in der zugelassenen Anklage enthaltene Hinweis auf die in Betracht kommende Rechtsfolge der Verfallsanordnung sei nicht völlig bedeutungslos; der Hinweis in der Anklageschrift führe immerhin dazu, dass durch sie ein rechtlicher Hinweis des Gerichts in der Hauptverhandlung entbehrlich wird (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.8.2007 – 3 Ws 267/07, AGS 2008, 30; OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.12.2009 – 1 Ws 643/09, AGS 2010, 128 und Beschl. v. 6.7.2011 – 1 Ws 351/11, AGS 2012, 67).
Deshalb sei im vorliegenden Fall das von der Vertreterin der Landeskasse tatsächlich zutreffend herausgestellte "grobe Missverhältnis" zwischen den von der Staatsanwaltschaft hochgerechneten Einkünften des Verurteilten und dem nach dem Urteil letztlich der Einziehung unterfallenden Betrag für die Festsetzung des Gegenstandswertes ohne Bedeutung. Auch dass – wie die Generalstaatsanwaltschaft in tatsächlicher Hinsicht zutreffend einwendet – eine Anordnung der erweiterten Einziehung von Wertersatz bei dem Verurteilten wirtschaftlich nicht durchsetzbar sei, spiele für die Festsetzung keine Rolle. Schließlich vermögen auch die zutreffenden Ausführungen des LG, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der erweiterten Einziehung hier schon nach Aktenlage nicht vorlagen (BGH, Beschl. v. 4.3.2021 – 5 StR 447/20, wistra 2021, 318; ferner Beschl. v. 3.11.2020 – 6 StR 258/20, NStZ-RR 2021, 105; Beschl. v. 19.8.2021 – 5 StR 238/21, wistra 2022, 32; Beschl. v. 26.10.2021 – 5 StR 327/21), die Wertfestsetzung nicht zu beeinflussen.
2. Bedeutung der Anklageschrift
Als aus der Akte erkennbarem Anhaltspunkt für das objektive, wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehungsanordnung komme der Anklageschrift, wenn diese sich zur Vermögensabschöpfung äußere, naturgemäß erhebliche Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall habe die Staatsanwaltschaft die nach ihrer Auffassung der Einziehung und der erweiterten Einziehung unterliegenden Beträge nicht nur beziffert, sondern deren Berechnung auch noch ausführlich begründet. Nach der Anklageschrift sollte ein Betrag von insgesamt 32.364.500,00 EUR der Einziehung bzw. der erweiterten Einziehung von Wertersatz unterliegen.
Entsprechenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft grds. keine Bedeutung für das Interesse des Verurteilten an der Abwehr der Anordnung beizumessen, würde der Bedeutung der Anklageschrift für das Strafverfahren nicht gerecht; stehe die Vermögensabschöpfung in der genannten Höhe allerdings ernstlich nicht im Raum und habe die Berechnung deshalb nur fiktiven Charakter, verliere der Inhalt der Anklageschrift seine Bedeutung für die Bestimmung des Gegenstandwertes (zum Verfall und unter Geltung der BRAGO OLG Köln, Beschl. v. 1.6.2007 – 2 Ws 173-175/07, StraFo 2007, 525).
So liege der Fall hier. Der fiktive Charakter der Berechnung des vermeintlich der erweiterten Einziehung unterliegenden Betrages lasse sich zwar nicht dem Wortlaut der Anklageschrift entnehmen; die Bezifferung dieses Betrages sei aber im Hinblick auf den Ansatzpunkt für deren Berechnung...