§ 33 RVG; Nr. 4142 VV RVG

Leitsatz

  1. Die Gebühr Nr. 4142 VV entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Das kann auch eine außergerichtliche Tätigkeit/Beratung des Rechtsanwalts sein.
  2. Für das objektive, wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehungsanordnung kommt der Anklageschrift, wenn diese sich zur Vermögensabschöpfung äußert, grundsätzlich erhebliche Bedeutung zu; der Inhalt der Anklageschrift verliert allerdings seine Bedeutung für die Bestimmung des Gegenstandwertes für das Einziehungsverfahren, wenn die Vermögensabschöpfung in der genannten Höhe ernstlich nicht im Raum steht und die Berechnung deshalb nur fiktiven Charakter hat.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.7.2023 – 1 Ws 22/23

I. Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Verurteilten, dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, wegen verschiedener Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz unter dem 12.4.2022 Anklage zum LG erhoben. In der Anklageschrift wird darauf hingewiesen, dass ein Betrag von 660.500,00 EUR gem. §§ 73, 73c, 73d StGB der Einziehung und ein Betrag i.H.v. 31.704.000,00 EUR gem. §§ 73a, 73c, 73d StGB der erweiterten Einziehung unterliege. Unter der Überschrift "Vermögensabschöpfung" wird dies näher begründet. In der Hauptverhandlung hat der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Einziehung von Taterträgen i.H.v. 274.000,00 EUR und den "erweiterten Verfall i.H.v. 85.500,00 EUR beantragt. Das LG hat im Urteil die Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.v. 101.500,00 EUR angeordnet.

Nach Einreichung des Kostenfestsetzungsantrags durch den Pflichtverteidiger hat die Bezirksrevisorin bei dem LG die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Einziehungsverfahren beantragt. Das LG hat diesen auf 660.500,00 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die erweiterte Einziehung von Taterträgen i.H.v. 31.704.000,00 EUR sei nach Aktenlage niemals ernsthaft in Betracht gekommen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers, mit der die Festsetzung eines Gegenstandswertes von 30.000.000,00 EUR angestrebt wird. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter beim OLG hat das Verfahren gem. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen. Dieser hat die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV

Nach Nr. 4142 VV falle eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (BGH, Beschl. v. 29.11.2018 – 3 StR 625/17). Die Verfahrensgebühr werde auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der Zusätzlichen Gebühr sei eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das werde immer der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung naheliegen. Es komme weder darauf an, ob der Erlass der Maßnahme rechtlich zulässig sei, noch, ob es an einer gerichtlichen Entscheidung über die Einziehung fehle, noch sei erforderlich, dass die Einziehung ausdrücklich beantragt worden sei. Es genüge, dass sie nach Lage der Sache ernsthaft in Betracht komme (OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2020 – 1 Ws 40/20, RVGreport 2020, 227; OLG Braunschweig, Beschl. v. 1.3.2022 – 1 Ws 38/22; AGS 2022, 221 = StraFo 2022, 259 = JurBüro 2022, 354).

III. Gegenstandswert

1. Objektives wirtschaftliches Interesse des Angeklagten

Der Gegenstandswert für die Einziehung richte sich nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Anordnung (BGH, Beschl. v. 30.4.2014 – 1 StR 53/13, wistra 2014, 326; Beschl. v. 7.10.2014 – 1 StR 166/07, RVGreport 2015, 35; Beschl. v. 29.11.2018 – 3 StR 625/17, RVGreport 2019, 102; Beschl. v. 22.5.2019 – 1 StR 471/18, RVGreport 2019, 431). Maßgeblich sei – wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess – der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswerts wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs sei generell weder im Streitwert- noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es komme daher nicht darauf an, ob wegen einer Vermögenslosigkeit des Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – 1 StR 471/18, a.a.O., für das Revisionsverfahren; anders für den Arrest BGH, Urt. v. 8.11.2018 – III ZR 191/17, AGS 2018, 558). Beanstande die Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren, das LG habe zu Unrecht davon abgesehen, den Verfall von Wertersatz anzuordnen, bemesse sich der Gegenstandswert im Revisionsverfahren nach dem von der Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision verfolgten Ziel, mithin der von ihr erstrebten Höhe der Anordnung des Verfalls von Wertersatz (BGH, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 StR 245/09, RVGreport 2015, 193). Die für die Wertgebühr maßgebende Höhe des Verfalls des Wertersatzes könne sich nur nach den zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beratung erkennbaren Anhaltspun...

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