Zu einer modernen Justiz gehören auch moderne Kommunikationsmittel und Arbeitsmittel. Der Wille ist da, wie die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs einerseits, aber EDV-Ausstattungen und Programme andererseits zeigen. Erfahrungen mit bisheriger EDV in der Justiz waren aber zumeist ernüchternd. Als Beispiel soll das bereits mehrfach diskutierte Programm "ForumSTAR" herangezogen werden, welches in seiner Anfangszeit durchaus als das "Waterloo" der Programmiertechnik bezeichnet werden darf. Mit der sukzessiv flächendeckenden Einführung der E-Akte wird aber ein weiterer Schritt in die richtige Richtung getan und die elektronische Antragstellung wird sich erst richtig effektiv im weiteren Workflow gestalten. Die elektronische Antragstellung wird auch an manchen Stellen für mehr Sicherheit sorgen, insbesondere dann, wenn es sich um einen nachträglichen Antrag handelt. Beantragt bspw. die Beratungsperson (nachträgliche) Beratungshilfe elektronisch, wird man den Berechtigungsschein dann auch an sie in elektronischer Form übersenden können. Mit dieser Variante wird die bekannte Gefahr einer doppelten Abrechnung für den Fall, dass der Bürger mit dem ihm persönlich (nachträglich erteilten) Berechtigungsschein einen weiteren Rechtsanwalt aufsucht, gebannt. Dies gilt insbesondere, wenn der "beantragende" Anwalt als ermächtigt gilt, den eigentlich dem Bürger zustehenden Berechtigungsschein in Empfang zu nehmen.
Die E-Akte selbst darf durchaus als gelungen betrachtet werden. Der "Sprung" aus dem Schatten (ForumSTAR) hin ins Licht (E-Akte) hinaus scheint dabei also gelungen. Die E-Akte orientiert sich bei ihrem Aufbau an allgemein bekannten und gängigen EDV-Programmen. Rechtliche Normen wie die Bildschirmarbeitsverordnung sowie die internationale Normreihe DIN EN ISO 9241 sind eingehalten. Die E-Akte ist auch praktikabel. Auch immer mehr Anwaltskanzleien oder Steuerberaterkanzleien stellen ihre Arbeitsweise auf eine E-Akte um und letztlich bleibt die Vermutung: Der elektronischen Arbeitsweise gehört die Zukunft. Nachdem nun alles "in die Zukunft" blickt, bleibt berechtigt die Frage: warum nicht auch in der Beratungshilfe? Sinn der "persönlichen Antragstellung" ist – wie beschrieben – der Abbau von Rückfragen, Hemmschwellen und Formalitäten. Warum diesen Grundgedanken nicht auch fortführen und auf moderne Kommunikationsmittel anpassen?
1. Moderne Antragstellungsvarianten
In Zeiten von Corona fand geradezu ein Hype um elektronische Kommunikationsmittel statt. Das Thema Homeoffice, Telearbeit und Vertrauensarbeitszeit wurden ins Unermessliche gepusht. Auch wenn der EuGH und auch nationale Obergerichte die Nutzung einer Vertrauensarbeitszeit eingeschränkt, jedenfalls nicht gerade flexibler machten, wäre ein berufliches Waterloo ohne die De-facto-Umsetzung während Corona zu erwarten gewesen. Moderne Kommunikationsmittel haben bewiesen: Die Arbeit lässt sich bewerkstelligen. Gesetzliche Änderungen und Modernisierungen lassen mittlerweile sogar die elektronische Abhaltung von Gerichtsverhandlungen zu – also müsste aus dem Sinn und Zweck der Beratungshilfe heraus auch eine virtuelle Antragstellung möglich sein.
2. Fortentwicklung
Beratungshilfe soll dazu dienen, berechtigte Interessen verfolgen zu können – gleichzeitig Hemmnisse und Bürokratie abzubauen (s.o.). In Zeiten, in denen so gut wie jeder Bürger über Internet verfügt, wäre die virtuelle Antragstellung zweifelsfrei ein Weg, den es zu öffnen gilt. Der Gesetzeber und die Rspr. sehen die flächendeckende Verfügbarkeit eines Internets – also für jedermann zugänglich – auch als gegeben an. Dies ergibt sich ganz aktuell auch aus einer BGH-Entscheidung zur Frage der Rechtsnachfolge. Hier bezog sich der Rechtsnachfolger zum Beweis der Rechtsnachfolge auf das Internet, konkret auf die Seite www.handelsregister.de und vertrat dabei i.S.d. § 727 ZPO eine Offenkundigkeit. Der BGH bestätigte dies und betonte zu Recht, dass das Internet eine allgemein zugängliche Quelle darstelle. Tatsachen sind allgemeinkundig, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde – auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen – wahrnehmbar sind. Der BGH betonte in dieser Entscheidung, dass der Gesetzgeber – etwa beim Handelsregister oder bei Grundbuchauszügen – davon ausgehe, dass das Internet jedermann frei zur Verfügung stehe, sei es über einen eigenen Anschluss oder über öffentliche Zugänge, etwa in Bibliotheken.
3. Erfahrungen
Eine bestimmte virtuelle Art der Kommunikation kennt das Beratungshilfeverfahren ja schon. Hierbei sei das Verfahren um den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch nach § 305 InsO zu erwähnen. Die Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss auf Grundlage einer persönlichen Beratung in Form eines eingehenden und ausführlichen persönlichen Gesprächs und einer einge...