§§ 51, 41 FamGKG
Leitsatz
- Auch in einem einstweiligen Anordnungsverfahren sind fällige Beträge bei der Bemessung des Verfahrenswertes – ggf. hälftig – zu berücksichtigen.
- Schließen die Beteiligten in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf Unterhalt einen Vergleich über die endgültige Unterhaltszahlung, so ergibt sich neben dem Verfahrenswert für die einstweilige Anordnung ein Vergleichsmehrwert in Höhe des Hauptsacheanspruchs.
OLG Köln, Beschl. v. 18.8.2023 – 25 WF 120/23
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte im Februar 2023 beim FamG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht. Verlangt wurde beginnend jeweils ab Februar 2023 die Zahlung von Trennungsunterhalt i.H.v. 10.746,02 EUR sowie Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder i.H.v. jeweils 2.400,76 EUR. Zusätzlich wurde beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben, einen Verfahrenskostenvorschuss i.H.v. 6.163,28 EUR zu zahlen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner den Kindesunterhalt anerkannt. Hinsichtlich des Trennungsunterhalts haben die Beteiligten sich geeinigt, und zwar nicht nur vorläufig, sondern auch endgültig für die Dauer von zwei Jahren.
Das FamG hat daraufhin den Verfahrenswert auf den sechsfachen Monatsbetrag des insgesamt verlangten Unterhalts (6 x [10.746,02 EUR + 2.400,76 EUR + 2.400,76 EUR] = 93.285,24 EUR) festgesetzt. Darüber hinaus hat es den Wert "für den Vergleich inklusive des Mehrvergleichs" auf (12 x 10.746,02 EUR =) 128.952,24 EUR festgesetzt.
Hiergegen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde erhoben. Zum einen hat sie geltend gemacht, dass bei dem Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung die fälligen Beträge übersehen worden seien. Zudem sei nicht ein Gesamtvergleichswert festzusetzen, sondern ein Mehrwert für den Vergleich, soweit er nicht anhängige Gegenstände betroffen habe. Darüber hinaus sei auch für den Antrag auf Verfahrenskostenvorschuss ein Wert festzusetzen, und zwar in Höhe des verlangten Betrags.
Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Antrag auf Verfahrenskostenvorschuss um einen "reinen Kostenantrag" gehandelt habe, der zeitgleich mit den Sachanträgen und nicht vor deren Einreichung gestellt worden sei.
Das OLG hat der Beschwerde abgeholfen und den Verfahrenswert auf 101.059,01 EUR festgesetzt sowie den Mehrwert des Vergleichs auf 128.952,24 EUR.
II. Verfahrenswert
Der Wert für das Anordnungsverfahren beträgt 101.059,01 EUR. Gem. § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG ist die Unterhaltsforderung für die ersten zwölf Monate zu berücksichtigen. Hinzuzurechnen sind gem. § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge – hier der bei Antragseinreichung fällige Unterhalt für den Monat Februar 2023. Insgesamt beträgt der Unterhalt daher 13 Monate x 10.746,02 EUR/Monat = 139.698,26 EUR.
Da es sich um ein Anordnungsverfahren handelt, ist dieser Wert nur zur Hälfte anzurechnen (§ 41 S. 2 FamGKG), mithin verbleiben 69.849,13 EUR.
Entsprechendes gilt für den Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder (2 x 12 Monate x 2.400,76 EUR + 2 x 1 Monat [Februar] x 2.400,76 EUR = 62.419,76 EUR x 1/2) = 31.209,88 EUR.
Zusammen beträgt der Verfahrenswert daher 101,059,01 EUR.
Da der geltend gemachte Verfahrenskostenvorschuss keinen Gebührensprung verursacht, kann es mangels Rechtsschutzbedürfnis dahinstehen, ob dieser verfahrenswertrelevant ist.
III. Vergleichsmehrwert
Der Mehrwert für den Vergleich (Trennungsunterhalt Hauptsache) beträgt 12 x 10.746,02 EUR = 128.952,24 EUR. Lediglich der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass auch bei Addition des zu II. genannten Verfahrenswertes und des Wertes des Mehrvergleichs (zusammen 230.011,25 EUR) der geltend gemachte Verfahrenskostenvorschuss wiederum keinen Gebührensprung verursachen würde
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Verfahrenswert eines einstweiligen Anordnungsverfahrens auf Unterhalt
Im Gegensatz zu den Vorgängervorschriften des GKG und des RVG enthält das FamGKG keine besonderen Wertvorschriften für einstweilige Anordnungsverfahren. Das bedeutet, dass zunächst einmal der Hauptsachewert zu ermitteln ist. Hiernach ist dann gem. § 41 S. 1 FamGKG zu prüfen, ob die einstweilige Anordnung gegenüber der Hauptsache eine geringere Bedeutung hat. Sofern dies der Fall ist, ist der Hauptsachewert zu ermäßigen. Ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte, ist der hälftige Wert anzusetzen (§ 41 S. 2 FamGKG)
Die Frage, ob bei einstweiligen Anordnungen auf Unterhalt eine geringere Bedeutung vorliegt, ist umstritten. Nach zutreffender Auffassung ist grds. der volle Hauptsachewert anzusetzen, da eine einstweilige Anordnung hinsichtlich der begehrten Unterhaltszahlungen faktisch zu einer endgültigen Regelung führt (OLG Düsseldorf AGS 2010, 105 = NJW 2010, 1385 = JurBüro 2010, 305 = FPR 2010, 363 = NJW-Spezial 2010, 220 = RVGreport 2010, 158 = FuR 2010, 475; AG Lahnstein AGS 2010, 264 = NJW-Spezial 2010, 412).
Die ganz h.M. geht allerdings auch bei einstweiligen Anordnungen auf Unterhalt davon aus, dass nur der hälftige Wert anzusetzen sei (OLG Oldenburg MDR 20...