1. Erstattungsvoraussetzungen
Darüber waren nach Auffassung des LG dem Betroffenen auch die Auslagen für das durch seinen Verteidiger in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten zu erstatten. Es habe sich dabei hier um notwendige Auslagen i.S.d. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 467 Abs. 1, 464a Abs. 2 StPO gehandelt. Notwendige Auslagen seien die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Aufwendungen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich waren (LG Aachen, Beschl. v. 12.7.2018 – 66 Qs-509 Js-OWi 2524/16-31/18).
Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen seien in der Regel nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden (§ 160 Abs. 1 u. 2 StPO) und Gericht (§ 244 Abs. 2 StPO) von Amts wegen zur Sachaufklärung und zur Beachtung des Zweifelssatzes verpflichtet seien und die Betroffenen daneben regelmäßig durch Initiativanträge, insbesondere Beweisanträge, das Gericht zu der begehrten Beweisaufnahme bestimmen können und werden (KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., 2023, § 464a Rn 7 m.w.N.). Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens seien jedoch u.a. dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich sei, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (LG Göttingen, Beschl. v. 4.7.2022 – 1 Qs 13/22 m.w.N.). Unabhängig von der subjektiven Bewertung der Prozesslage durch den Betroffenen seien die Kosten eines durch ihn in dem Bußgeldverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nach einem Freispruch von dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit aber jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn das eingeholte Privatgutachten zu dem Freispruch beigetragen hat (vgl. LG Aachen, a.a.O.; Beschl. v. 30.9.2019 – 66 Qs 58/19).
2. Erstattungsvoraussetzungen erfüllt
Diese Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Sachverständigenkosten waren nach Auffassung der Kammer hier gegeben. Das durch den Verteidiger des Betroffenen beauftragte Sachverständigengutachten habe erkennbar zu dem Freispruch des Betroffenen beigetragen. Das werde schon daran deutlich, dass das AG nach dem Eingang des Verfahrens bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und im Rahmen der Ladung explizit darauf hingewiesen hatte, dass aus seiner Sicht Anhaltspunkte für einen Messfehler derzeit nicht ersichtlich seien. Allein das sodann durch den Verteidiger vorgelegte Sachverständigengutachten habe dazu geführt, dass das AG den Termin zur Hauptverhandlung aufgehoben und seinerseits einen Sachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zu der Frage, ob das Ergebnis der Messung am Tattag zur Tatzeit am Tatort mit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs nicht übereinstimme, beauftragt habe. Ohne die Anbringung konkreter Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie §§ 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. Zur Überprüfung auf solche Zweifel sei angesichts der technisch komplizierten Materie aber die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig (so auch LG Oldenburg, Beschl. v. 28.3.2022 – 5 Qs 108/20, AGS 2022, 272). Hinzu komme, dass in dem durch das Gericht eingeholten Sachverständigengutachten ausdrücklich auf das Privatgutachten des Betroffenen Bezug genommen und weitgehend Übereinstimmung in den festgestellten Ergebnissen konstatiert wurde. Vor dem Hintergrund dieser objektiven Umstände sei es nicht entscheidungserheblich, dass das AG in seiner Entscheidungsbegründung nicht ausdrücklich auch auf das Privatgutachten des Betroffenen verwiesen habe. Der Beitrag des durch den Betroffenen eingeholten Sachverständigengutachtens zu seinem Freispruch ergibt sich vielmehr aus dem tatsächlichen Verfahrensverlauf.