§ 249 BGB
Leitsatz
Bei Verkehrsunfällen mit zwei beteiligten Fahrzeugen liegt in der Regel kein derart einfach gelagerter Sachverhalt vor, dass dem Geschädigten zugemutet werden kann, die Schadensregulierung ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen, da diese regelmäßig bezüglich der Haftung der Höhe nach besondere Schwierigkeiten birgt. Lediglich dann, wenn ein Schadensfall vorliegt, der hinsichtlich der Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar ist, dass kein Anlass zum Zweifel an der Erstattungspflicht des Schädigers besteht, wäre eine Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verneinen.
AG Bamberg, Urt. v. 10.8.2023 – 101 C 267/23
I. Sachverhalt
Am 23.12.2023 wurde der Pkw des Klägers, der von Beruf Rechtsanwalt ist, auf dem Parkplatz einer Gastwirtschaft beschädigt. Der Unfallhergang und die Haftungsquote der beklagten Versicherung von 100 % sind zwischen den Parteien unstreitig.
Mit Schreiben vom 7.1.2023 verlangte der Kläger auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens Schadensersatz i.H.v. insgesamt rund 6.000,00 EUR. Zudem verlangte er die Erstattung (seiner) außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. insgesamt rund 600,00 EUR. Die beklagte Versicherung zahlte u.a. die Rechtsanwaltskosten nicht. Diese sind, nachdem die Beklagte den restlichen Schadensersatz gezahlt und der Rechtsstreit insoweit vom Kläger für erledigt erklärt worden ist, noch im Streit. Die Klage hatte Erfolg.
II. Erstattung der Kosten für die Selbstvertretung
Das AG hat einen Anspruch des klagenden Rechtsanwalts auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bejaht. Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts sei hier aus Sicht des Geschädigten bei Beauftragung/erstmaligem Tätigwerden zunächst erforderlich und zweckmäßig. Bei Verkehrsunfällen mit zwei beteiligten Fahrzeugen liege i.d.R. Regel kein derart einfach gelagerter Sachverhalt vor, dass dem Geschädigten zugemutet werden könne, die Schadensregulierung ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen, da diese regelmäßig bezüglich der Haftung der Höhe nach besondere Schwierigkeiten berge (Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 249 Rn 57). Lediglich dann, wenn ein Schadensfall vorliege, der hinsichtlich der Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar sei, dass kein Anlass zum Zweifel an der Erstattungspflicht des Schädigers bestehe, wäre eine Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verneinen (BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, NJW 1995, 446). Ein derartiger Sachverhalt sei hier nicht gegeben. Die nach diesen Grundsätzen bestehende Ersatzpflicht entfalle auch nicht, weil der Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig geworden sei (Grüneberg, a.a.O., § 249 Rn 57), soweit ein rechtsunkundiger Geschädigter die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich ansehen durfte. Dem Kläger war es insbesondere nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung liegt auf der Linie der h.M. in Rspr. und Lit. Dazu hat gerade auch das AG Berlin-Mitte Stellung genommen (AGS 2023, 357). Auf die dortige Anmerkung kann daher verwiesen werden.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 9/2023, S. 410