a) Gegenstandswert
Die als 1,0-Wertgebühr ausgestaltete zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4142 VV muss der Gegenstandswert mindestens 30,00 EUR betragen.
Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln konnte in der Vergangenheit keine Gebühr Nr. 4142 VV erhoben werden, weil Betäubungsmittel im Regelfall keinen objektiven oder legalen Verkehrswert haben.
Jedenfalls mit Inkrafttreten des CanG zum 1.4.2024 wird diese Frage neu zu beurteilen sein, weil §§ 2 Abs. 3, 3 KCanG erwachsenen Personen den Besitz bzw. das Mitführen in der Öffentlichkeit von bis zu 25 g getrocknetem Cannabis zum Eigenkonsum bzw. an ihrem Wohnsitz den Besitz von insgesamt 50 g getrocknetem Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Ferner ist Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt der private Eigenanbau von insgesamt nicht mehr als drei Cannabispflanzen gleichzeitig erlaubt. Mit dem Cannabisgesetz wird der private Eigenanbau durch Erwachsene sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen zum Eigenkonsum legalisiert.
Einen Handelswert hat Cannabis damit zwar nach wie vor nicht, weil mit dem im zulässigen Eigenanbau produzierten Cannabis kein legaler gewerblicher Handel betrieben werden kann. Allerdings stellt Nr. 4142 VV zunächst auch gar nicht auf einen Handelswert ab, sondern auf den Gegenstandswert. Gem. § 2 Abs. 1 RVG ist das der Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. Gegenstand ist wiederum das Recht oder das Rechtsverhältnis, auf das sich auftragsgemäß die Tätigkeit des Rechtsanwalts bezieht.
Die Einziehung von Cannabis ist darauf gerichtet, dem Angeklagten das Eigentum hieran zu entziehen (§ 75 StGB). Der Gegenstandswert der Einziehung entspricht deshalb dem objektiven Verkehrswert des einzuziehenden Gegenstandes. Mit der Legalisierung durch das CanG schreibt die Rechtsordnung Cannabis einen messbaren Wert zu. Einen Anhaltspunkt für diesen Wert bietet der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgelegte Verkaufspreis für Medizinal-Cannabisblüten, der zum 1.7.2023 auf 5,80 EUR pro g festgesetzt worden ist. Nach Absolem420.de (Informationsplattform für medizinisches Cannabis in Deutschland) beträgt der Verkaufspreis für rezeptpflichtiges medizinisches Cannabis in Apotheken in 2024 im Schnitt sogar bei 9,87 EUR pro g.
Hinweis
Der nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4142 VV für die Entstehung der zusätzlichen Verfahrensgebühr erforderliche Mindestwert von 30,00 EUR wird damit bei einem Verkaufspreis i.H.v. 5,80 EUR ab einer Menge von ca. 5,2 g erreicht, bei Zugrundelegung eines Durchschnittspreises von 9,87 EUR pro g bereits bei knapp über 3 g.
b) Auswirkung auf die Anwaltsvergütung
Bei den Auswirkungen auf die Anwaltsvergütung ist wie folgt zu unterscheiden:
aa) Einstellung
Im Falle der Einstellung von am 1.4.2024 laufenden Strafverfahren (§ 206b StPO) entsteht noch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV, wenn der Verteidiger das Geschäft im Hinblick auf die Einziehung des Cannabis betrieben hat, Vorbem. 4 Abs. 2 VV, Nr. 4142 VV. Durch die Regelungen des CanG erstreckt sich die Tätigkeit des Verteidigers auf einen Einziehungsgegenstand mit einem legalen Verkehrswert, der allerdings über 30,00 EUR liegen muss. Das hängt von der Menge und dem zugrunde zu legenden legalen Verkaufspreis (z.B. 5,80 EUR oder 9,87 EUR pro g) ab.
bb) Neufestsetzung als Teil des Erkenntniserfahrens
Wird die Neufestsetzung einer Strafe (Art. 316p, 313 Abs. 3 EGStGB) oder einer Gesamtstrafe (Art. 316p, 313 Abs. 4 EGStGB) als Teil des Erkenntnisverfahrens angesehen (s. unter I., 2.), kann für eine Tätigkeit im zugrunde liegenden Strafverfahren (neben einer allgemeinen Terminsgebühr Nr. 4102 VV) noch eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV zu erheben sein, wenn der Verteidiger das Geschäft im Hinblick auf die Einziehung des Cannabis betrieben hat (s. oben unter aa)). Wird die Tätigkeit in einem deklaratorischen Verfahren auf Straferlass nach Art. 316p, 313 Abs. 1 EGStGB für rechtskräftige, noch nicht vollstreckte Strafen als Tätigkeit in der Strafvollstreckung i.S.v. Teil 4 Abschnitt 2 VV angesehen, kann systematisch keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV aus Teil 4 Abschnitt 1 VV entstehen.