§§ 8 Abs. 1 S. 1, 11 Abs. 1 und 5 RVG; §§ 195, 199 Abs. 1 BGB
Leitsatz
- Der Einwand fehlender Fälligkeit hindert die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung gegenüber dem Auftraggeber in Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG grundsätzlich nicht.
- Bei dem Einwand der Verjährung handelt es sich um eine nicht gebührenrechtliche Einwendung. Diese steht der Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG jedoch dann nicht entgegen, wenn sie im Einzelfall nach Aktenlage offensichtlich unbegründet ist.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.2.2024 – 20 WF 25/24
I. Sachverhalt
Rechtsanwalt G hatte den hiesigen Antragsgegner des Vergütungsfestsetzungsverfahrens in seinem vor dem AG Heidelberg – FamG – anhängigen Scheidungsverfahren vertreten. Durch Beschl. v. 2.10.2018 trennte das FamG das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich vom ursprünglichen Scheidungsverbundverfahren ab. Am selben Tage, rechtskräftig geworden am 27.11.2018 – hat das FamG die Ehe der Eheleute geschieden. Seine Entscheidung über den abgetrennten Versorgungsausgleich hat das FamG im Jahre 2019 getroffen.
Mit seinem am 30.12.2022 beim FamG eingegangenen Antrag vom selben Tage hat Rechtsanwalt G die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 Abs. 1 RVG gegen den Antragsgegner beantragt. Die Rechtspflegerin des FamG hat durch Beschl. v. 31.8.2023 die Vergütung auf 1.023,33 EUR festgesetzt.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Antragsgegner folgende Einwendungen vorgebracht:
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Er habe von Rechtsanwalt G zu der Scheidung nie eine Rechnung bekommen. |
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Er berufe sich auf §§ 194 ff. BGB, weil mit Ablauf des 31.12.2022 Rechnungen aus dem Jahr 2019 verjährt seien. |
Dem ist Rechtsanwalt G mit der Begründung entgegengetreten, er habe seinen Vergütungsfestsetzungsantrag vor Ablauf der Verjährungsfrist gestellt.
Die Rechtspflegerin des FamG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Einwendungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren
1. Gebührenrechtliche Einwendungen
Erhebt der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren gebührenrechtliche Einwendungen, so hat der mit dem Vergütungsfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger oder das Beschwerdegericht diese in vollem Umfang zu überprüfen. Hierzu gehört etwa das Vorbringen, der Tatbestand der Gebührenvorschrift sei nicht erfüllt oder die geltend gemachte Gebühr sei nicht oder nicht in der beantragten Höhe entstanden. Oder der Antragsgegner bringt vor, der Rechtsanwalt habe nach einer unzutreffenden Vorschrift abgerechnet. Auch der Einwand der fehlenden Fälligkeit ist ein gebührenrechtlicher Einwand (s. Hansens, JurBüro Sonderheft 1999, 22).
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe hat hier der Antragsgegner keine gebührenrechtlichen Einwendungen erhoben. Er habe lediglich die mangelnde Fälligkeit der Vergütungsforderung behauptet und sich auch auf die Einrede der Verjährung berufen.
2. Nicht gebührenrechtliche Einwendungen
a) Grundsatz
Erhebt der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren Einwendungen, die ihre Grundlage nicht im Gebührenrecht haben, ist die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG abzulehnen, soweit die Einwendungen reichen. Eine sachliche Entscheidung hat der mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag befasste Rechtspfleger über solche Einwendungen somit nicht zu treffen. Deshalb kommt es auch nicht auf die materiell-rechtliche Schlüssigkeit oder die Begründetheit der nicht gebührenrechtlichen Einwendungen an. Vielmehr genügt es, dass der Einwand mindestens im Ansatz erkennen lässt, dass der Vergütungsanspruch des den Antrag stellenden Rechtsanwalts aus materiell-rechtlichen Gründen oder aufgrund einer zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber getroffenen Vereinbarung unbegründet sein könnte (s. LAG Mainz RVGreport 2015, 135 [Hansens]; OLG Dresden RVGreport 2020, 293 [Ders.] = JurBüro 2020, 417).
b) Ausnahmen
Ausnahmsweise sind nicht gebührenrechtliche Einwendungen, die nach dem Rechtsgedanken des Rechtsmissbrauchs "offensichtlich aus der Luft gegriffen" und damit haltlos sind, unberücksichtigt zu lassen. Hierzu gehören auch Einwendungen, die ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt vorgebracht wurden (BVerfG RVGreport 2016, 253 [Hansens]; Hansens, ZAP Fach 24 S. 1458). Ebenso unberücksichtigt bleibt nach Auffassung des OLG Karlsruhe ein außergebührenrechtlicher Einwand, der nach Aktenlage offensichtlich unbegründet ist. Ein solcher Fall hat hier nach Auffassung des OLG bei der Verjährungseinrede des Antragsgegners vorgelegen.
III. Die Einwendungen des Antragsgegners
1. Der Einwand fehlender Fälligkeit
Nach den Ausführungen des OLG Karlsruhe hindert der Einwand fehlender Fälligkeit die Vergütungsfestsetzung grds. nicht. I.Ü. sei dieser Einwand unbegründet. Die Vergütungsforderung werde nämlich gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Diese Voraussetzung war hier nach Auffassung des OLG Karlsruhe im Jahr 2019 mit der Beendigung durch des mit Beschl. des AG Heidelberg – FamG – v. 2.10.2018 vom ursprünglichen Scheidungsverbundverfahren abgetrennten Verf...