§§ 12a Abs. 1, 68 ArbGG; §§ 103 ff. ZPO; §§ 18 Abs. 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG; Nrn. 3328, 3500 VV RVG
Leitsatz
- § 12a ArbGG steht der Erstattungsfähigkeit von Beschwerdekosten im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen.
- Anwälte, die im Rahmen des Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung in einem Beschwerdeverfahren tätig sind, erhalten die Gebühr nach Nr. 3500 VV. Während das Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung regelmäßig eine Zusammenhangstätigkeit nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG darstellt, wenn nicht über den Einstellungsantrag eine gesonderte mündliche Verhandlung stattgefunden hat (dazu Nr. 3328 VV), handelt es sich bei Beschwerdeverfahren auch in Zwangsvollstreckungssachen um eigene Angelegenheiten (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG).
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.6.2024 – 26 Ta (Kost) 6017/24
I. Sachverhalt
Die Parteien hatten vor dem ArbG Brandenburg an der Havel über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Auf der Basis eines am 3.8.2017 verkündeten Beschäftigungsurteils hat das ArbG zugunsten des Klägers gegen das beklagte Land durch Beschl. v. 27.10.2017 ein Zwangsgeld festgesetzt, hilfsweise Zwangshaft angeordnet. Mit seiner am 29.1.2019 beim ArbG Brandenburg an der Havel eingegangenen Klage hat das beklagte Land beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschl. v. 27.10.2017 für unzulässig zu erklären. Außerdem hat das beklagte Land beantragt, die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss einstweilen einzustellen. Mit Beschl. v. 21.2.2019 hat das ArbG die Zwangsvollstreckung aus dem Beschl. v. 27.10.2017 "bis zum Erlass des Urteils in der Sache" einstweilen eingestellt.
Gegen diesen Beschluss hat der anwaltlich vertretene Kläger am 27.2.2019 sofortige Beschwerde eingelegt. Nachdem das ArbG durch Urt. v. 19.3.2019 die Zwangsvollstreckung aus dem Beschl. v. 27.10.2017 für unzulässig erklärt und die Vollstreckung aus diesem Beschluss bis zur Rechtskraft des Urteils einstweilen eingestellt hatte, hat der Kläger das Beschwerdeverfahren, das sich gegen den Beschl. v. 21.2.2019 gerichtet hatte, in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das beklagte Land hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat durch Beschl. v. 2.4.2020 über die Beschwerde gegen die Entscheidung vom 21.2.2019 entschieden und festgestellt, dass sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers (= Klägers) gegen den Beschl. des ArbG v. 21.2.2019 erledigt hat. Ferner hat das LAG dem beklagten Land die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Hinsichtlich seiner Kostenentscheidung hat das LAG darauf hingewiesen, § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG finde im Beschwerdeverfahren nach § 78 ArbGG keine Anwendung.
Aufgrund der zu seinen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat der Kläger die Festsetzung seiner Anwaltskosten für das Beschwerdeverfahren gegen das beklagte Land beantragt. Dabei hat er eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV i.H.v. 184,00 EUR, die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR und Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag i.H.v. 142,76 EUR in Ansatz gebracht.
Der Rechtspfleger des ArbG Brandenburg an der Havel hat den Kostenfestsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG erfasse auch die Vollstreckungsgegenklage. Die geltend gemachten Kosten des Beschwerdeverfahrens seien daher dem Erkenntnisverfahren zuzurechnen. Die Kostenentscheidung in dem Beschluss des LAG betreffe folglich nur die entstandenen Gerichtskosten.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, der der Rechtspfleger des ArbG nicht abgeholfen hat. Die dem LAG Berlin-Brandenburg vorgelegte sofortige Beschwerde führte zur Aufhebung des Beschl. des Rechtspflegers v. 7.2.2024 und zur Zurückverweisung an das ArbG (Rechtspfleger).
II. Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beschwerdeverfahrens
Gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG besteht im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten. Diese Regelung gilt nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg jedoch nicht für die Kosten des Beschwerdeverfahrens (LAG Berlin-Brandenburg AGS 2015, 199; BAG RVGreport 2015, 145 [Hansens] = JurBüro 2015, 195, das die vorgenannte Entscheidung des LAG dem Grunde nach bestätigt hatte).
III. Angefallene Anwaltskosten
Nach den weiteren Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers für dessen Vertretung in dem Beschwerdeverfahren betreffend den die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnenden Beschl. des ArbG v. 21.2.2019 gesonderte Anwaltskosten angefallen. Die entsprechende Tätigkeit sei nämlich entgegen der Auffassung des Rechtspflegers des ArbG nicht dem Erkenntnisverfahren zuzurechnen. Zwar gehöre das Verfahren über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG zu dem Rechtszug und werde deshalb durch die dort angefallenen Gebühren des Erkenntnisverfahrens mit abgegolten. Etwas anderes gelte nur dann, wenn über den Einstellungsantrag eine gesonderte ...