§ 467 StPO
Leitsatz
Das Gericht kann gem. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn der Beschuldigte wegen einer Straftat nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, verbleibt es aber in der Regel bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO. Tritt das Verfahrenshindernis erst im Laufe des Verfahrens ein, werden die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse seit der Entstehung des Hindernisses aufgebürdet.
LG Lüneburg, Beschl. v. 22.7.2024 – 111 Qs 46/24
I. Sachverhalt
Gegen die Beschuldigte war als Gesellschafterin einer GbR nach einer Steuerprüfung vom 12.3.2019 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung für die Jahre 2015–2017 ein Strafverfahren durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen eingeleitet und am 13.3.2019 die Bekanntgabe hierüber angeordnet worden. Die Beschuldigte wurde mit Schreiben vom 21.2.2020, ihr zugestellt am 26.2.2020, über die Einleitung des Strafverfahrens unterrichtet. Am 13.4.2023 wurde sie wegen einer Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO angeschrieben.
Daraufhin meldete sich Rechtsanwalt R 1 unter dem 24.4.2023 als Verteidiger und beantragte in der Folgezeit mit mehreren Schreiben Fristverlängerung zur Stellungnahme, die ihm antragsgemäß bis zum 30.6.2023 gewährt wurde. Eine Stellungnahme ging nicht ein. Mit Schreiben vom 5.2.2024 wurde die Beschuldigte erneut wegen einer Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO angeschrieben, was einen weiteren Fristverlängerungsantrag zur Stellungnahme bis zum 11.3.2024 zur Folge hatte, der nicht gewährt wurde. Mit Abschlussvermerk vom 28.2.2024 hat das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zwecks Antrags auf Erlass eines Strafbefehls unter Hinweis auf die am 14.3.2024 eintretende Verjährung abgegeben. Die Staatsanwaltschaft leitete die Akten erst am 13.3.2024 an das AG weiter. Trotz des Vermerks EILT SEHR! SOFORT! auf der Übersendungsverfügung lagen die Akten erst am 15.3.2024 der zuständigen Richterin vor, die den Strafbefehl antragsgemäß erließ. Hiergegen wendete sich die Beschuldigte fristgerecht mit ihrem Einspruch vom 6.4.2024 durch den nunmehr mandatierten Rechtsanwalt R 2, der beantragte, das Verfahren wegen Verjährung einzustellen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass Anordnung und Bekanntgabe betreffend die Einleitung des Strafverfahrens eine Einheit bilden, weshalb die Verjährung letztmalig am 12.3.2019 unterbrochen wurde und am 12.3.2024 endete.
Das Verfahren wurde mit Beschluss des AG vom 4.7.2024 wegen des Verfahrenshindernisses der Verjährung gem. § 206a StPO "auf Kosten der Staatskasse" eingestellt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschuldigte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 7.7.2024 und legt sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein, weil der Beschluss sich nicht zu den notwendigen Auslagen der Beschuldigten verhält. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, weil ein hinreichender oder erheblicher Tatverdacht gegen die Beschuldigte fortbestehe, weshalb das Gericht gem. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon absehen könne, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
II. Ergänzung der Einstellungsentscheidung
Das LG hat die amtsgerichtliche Einstellungsentscheidung dahin ergänzt, dass es der Staatskasse die notwendigen Auslagen der Beschuldigten auferlegt hat.
Zwar könne das Gericht gem. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn der Beschuldigte wegen einer Straftat nicht verurteilt werde, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Bei der Ausübung des dadurch eröffneten Ermessens über eine Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten sei aber dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO grds. Rechnung zu tragen. Sei das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung (der ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gleichsteht) bereits eingetreten, solle es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheine grob unbillig, etwa weil der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhalten des Angeklagten zurückzuführen sei. Trete das Verfahrenshindernis erst im Laufe des Verfahrens ein, würden die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse seit der Entstehung des Hindernisses aufgebürdet. Im Rahmen der Ermessenentscheidung könne darüber hinaus Berücksichtigung finden, ob das Verfahrenshindernis von vornherein erkennbar gewesen sei, oder ob es als Ergebnis einer langwierigen Aufklärung des Sachverhaltes erst später zutage getreten sei. Zu beachten sei dabei stets, dass nach der Intention des Gesetzgebers die Möglichkeit der vom Regelfall abweichenden Kostenentscheidung nur für seltene Ausnahmefälle eröffnet sein sollte (OLG Celle StraFo 2013, 526; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 67. Aufl., 2024, StPO, § 467 Rn 18).
Nach diesen Grunds...