Kommt die Anrechnung der Geschäftsgebühr bei der ersten nachfolgenden Angelegenheit nicht voll zum Tragen, weil der Gebührensatz der nachfolgenden Angelegenheit unter der Hälfte des anzurechnenden Gebührensatzes liegt, so ist der nicht verbrauchte Anrechnungsbetrag auf ein sich gegebenenfalls anschließendes weiteres Verfahren anzurechnen.

Beispiel 1

Der Anwalt wehrt außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR ab. Die Sache ist umfangreich, aber durchschnittlich. Der Gegner erwirkt daraufhin einen Mahnbescheid, gegen den der Anwalt Widerspruch einlegt. Hiernach kommt es zum streitigen Verfahren, in dem verhandelt wird.

Anzurechnen wäre ausgehend von einer 1,5-Geschäftsgebühr nach einem Gebührensatz von 0,75. Da der Anwalt im Mahnverfahren aber nur 0,5 erhält, kann nicht mehr angerechnet werden. Der nicht verbrauchte Anrechnungsbetrag i.H.v. 0,25 ist dann auf das streitige Verfahren zu "übertragen" und dort anzurechnen. Daneben ist auch die 0,5-Verfahrensgebühr der Nr. 3307 VV anzurechnen.

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   618,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 638,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   121,22 EUR
  Gesamt   759,22 EUR

II. Mahnverfahren (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3307 VV   206,00 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,5 aus 8.000,00 EUR   – 206,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV[2]   20,00 EUR
  Zwischensumme 20,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   3,80 EUR
  Gesamt   23,80 EUR

III. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   535,60 EUR
2. gem. Anm. zu Nr. 3307 VV anzurechnen, 0,5 aus 8.000,00 EUR   – 206,00 EUR
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 8.000,00 EUR – 309,00 EUR  
  ./. bereits angerechneter 0,5 aus 8.000,00 EUR   206,00 EUR
      – 103,00 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   494,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 741,00 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   140,79 EUR
  Gesamt   881,79 EUR

Möglich ist auch, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr bei der ersten nachfolgenden Angelegenheit nicht voll zum Tragen kommt, weil sie sich nicht auf alle Gegenstände der außergerichtlichen Tätigkeit erstreckt. Auch dann verbleibt noch ein "Anrechnungsguthaben". Kommt es dann zu einer nachfolgenden Angelegenheit, auf die auch anzurechnen ist, und wird dort der ursprüngliche Gegenstand wieder aufgegriffen, so wird der bisher nicht angerechnete Betrag nunmehr angerechnet.[3]

Beispiel 2

Der Anwalt macht außergerichtlich für den Mandanten eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist umfangreich und schwierig. Nachdem der Gegner nicht zahlt, erwirkt der Anwalt einen Mahnbescheid über lediglich 4.000,00 EUR. Nachdem Widerspruch eingelegt worden ist, wird das streitige Verfahren durchgeführt. Dort wird die Klage auf die ursprünglichen 8.000,00 EUR erweitert.

Die Geschäftsgebühr ist nach einem Wert von 8.000,00 EUR angefallen. Im Mahnverfahren beläuft sich der Gegenstandswert dagegen nur auf 4.000,00 EUR. Folglich wird die Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV auch nur nach einem Gegenstandswert von 4.000,00 EUR angerechnet. Die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens wiederum wird in voller Höhe auf die Verfahrensgebühr des streitigen Verfahrens angerechnet. Darüber hinaus wird die anzurechnende Geschäftsgebühr, soweit sie im Mahnverfahren nicht angerechnet worden ist, jetzt im streitigen Verfahren angerechnet.

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   618,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 638,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   121,22 EUR
  Gesamt   759,22 EUR

II. Mahnverfahren (Wert: 4.000,00 EUR)

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3005 VV   245,00 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 4.000,00 EUR   – 183,75 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 81,25 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   15,44 EUR
  Gesamt   96,69 EUR

III. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   535,60 EUR
2. gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen, 1,0 aus 4.000,00 EUR   – 245,00 EUR
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,    
  0,75 aus 8.000,00 EUR – 309,00 EUR  
  ./. bereits angerechneter 0,75 aus 4.000,00 EUR   183,75 EUR
      – 125,25 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   494,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 679,75 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   129,15 EUR
  Gesamt   808,90 EUR

Solche Fälle treten auch häufig auf, wenn nach einer außergerichtlichen Tätigkeit zunächst ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet wird, in dem nur über einen Teil der vorgerichtlichen Gegenstände Beweis erhoben wird, im späteren Klageverfahren dagegen die ursprünglichen Gegenstände wieder aufgegriffen werden.

Beispiel...

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