Die Strafkammer hat zu Recht die Tätigkeit des nach § 408b StPO beigeordneten Verteidigers nicht als Einzeltätigkeit gewertet.
1. Allerdings ist hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Beiordnung nach § 408b StPO davon auszugehen, dass diese nicht mit der Einlegung des Einspruchs endet, sondern auch für das weitere Hauptverfahren gilt. Es werden insoweit verschiedene Ansichten vertreten.
Nach einer Entscheidung des AG Höxter (StV 1995, 519) soll die Bestellung des Pflichtverteidigers bis zur Entscheidung über den Erlass oder Nichterlass des beantragten Strafbefehls befristet werden.
Nach einer weitergehenden Ansicht gilt die Bestellung des Pflichtverteidigers nicht für das weitere Verfahren nach Einspruch gegen den Strafbefehl (OLG Düsseldorf NStZ 2002, 390; AG Höxter StV 1995, 519; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 408b Rn 6 m. w. Nachw.; Metzger, in: KMR, § 408b StPO Rn 10; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 408b Rn 4; Hohendorf, MDR 1993, 598; Lutz, NStZ 1998, 395).
Nach einer dritten Ansicht wirkt die Verteidigerbestellung über den Zeitpunkt des Einspruchs hinaus (Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 408b Rn 12, Fischer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 408b Rn 8; Loos, in: Alternativ Kommentare, 1996, § 408b Rn 4; Böttger, in: Anwaltskommentar, StPO, § 408b Rn 9; Weßlau, in: Systematischer Kommentar zur StPO und zum GVG, § 408b Rn 10; Kurth, in: Heidelberger Kommentar, StPO, 3. Aufl., § 408b Rn 6; Brackert/Staechelin, StV 1995, 547; Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153, 156; Schellenberg, NStZ 1994, 570; Sigismund/Wickern, wistra 1993, 91), wobei wiederum unterschiedlich beurteilt wird, ob die Beiordnung nur die Hauptverhandlung nach Einspruch umfasst (Kurth a.a.O.), mit der Einlegung des Rechtsmittels gegen die auf den Einspruch ergangene Entscheidung endet (so Gössel a.a.O.) oder auch noch das anschließende Rechtsmittelverfahren umfasst (so Fischer a.a.O.; Böttger a.a.O., Weßlau a.a.O.).
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die Pflichtverteidigerbestellung jedenfalls die Vertretung des Angeklagten in einer nach Einspruch gegen den Strafbefehl folgenden Hauptverhandlung noch umfasst.
Das Gesetz nimmt – anders als etwa in § 117 Abs. 4 S. 1 StPO "für die Dauer der Untersuchungshaft", § 118a Abs. 2 S. 3 StPO "für die mündliche Verhandlung" im Haftprüfungsverfahren, § 350 StPO "für die Hauptverhandlung" in der Revisionsinstanz, § 418 Abs. 4 StPO "für das beschleunigte Verfahren"– in § 408b StPO nicht ausdrücklich eine Beschränkung der Reichweite der Verteidigerbestellung vor.
Das Argument, im Falle einer Fortgeltung der Pflichtverteidigerbestellung über den Zeitpunkt des Einspruchs hinaus sei der Angeklagte, gegen den zunächst ein Strafbefehl erlassen worden sei, besser gestellt als derjenige, gegen den sofort eine Hauptverhandlung anberaumt werde und dem nur unter den Voraussetzungen des § 140 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werde, berücksichtigt nicht, dass in der auf einen Einspruch hin anberaumten Hauptverhandlung anders als ohne Zwischenschaltung des Strafbefehls über § 411 Abs. 2 S. 2 StPO der für das beschleunigte Verfahren geltende § 420 StPO anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift kann bei Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft, soweit sie in der Hauptverhandlung anwesend sind, die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten durch Verlesung von Niederschriften über eine frühere Vernehmung oder Urkunden, die von der betreffenden Person erstellte schriftliche Äußerungen enthalten, ersetzt werden. Dasselbe gilt bezüglich der Erklärungen von Behörden und sonstigen Stellen über ihre dienstlichen Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse. Nach § 420 Abs. 4 StPO bestimmt der Strafrichter zudem unbeschadet des § 244 Abs. 2 StPO den Umfang der Beweisaufnahme. Es können zwar Beweisanträge gestellt werden. Der Strafrichter kann sie ohne Bindung an die Beweisablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO ablehnen, wobei auch eine Beweisantizipation für zulässig gehalten wird (Meyer-Goßner a.a.O. § 420 Rn 10; Tolksdorf, in: Karlsruher Kommentar a.a.O. § 420 Rn 10). Das formelle Beweisantragsrecht wird dadurch erheblich eingeschränkt. Wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten ist – dieser Fall wird bei der Pflichtverteidigerbestellung nach § 408b StPO vielfach gegeben sein – , ist dem Angeklagten für das beschleunigte Verfahren ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Damit soll den Nachteilen und Gefahren der erleichterten Beweisaufnahme nach § 420 StPO Rechnung getragen werden (Tolksdorf a.a.O. § 418 Rn 10). Der fehlende Verweis in § 411 Abs. 2 StPO auf § 418 Abs. 2 StPO lässt demnach ebenfalls schließen, dass die Pflichtverteidigerbestellung im Strafbefehlsverfahren über die Einlegung des Einspruchs hinausgehen soll. Es lässt sich nicht begründen, dass derjenige, der auf dem Umweg über das Strafbefehlsverfahren in die Hauptverhandlung mit verkürzter Beweisaufnahme gelangt, keinen Pflichtverteidiger hat, während demjenig...