Do it yourself oder: Wie man aus Beratungshilfeempfängern Heimwerker macht
Deutschland hat gewählt! Sofort machen sich die Siegerparteien Schwarz/Gelb an die wichtigste Aufgaben, denen man sich angesichts der Probleme dieses Landes stellen kann, mit anderen Worten: Das Gerangel um Ministerien (vgl. SZ vom 5.10.2009) ist in vollem Gange.
Besonderes Augenmerk verdient bei derart sinnvollen Aktivitäten die Besetzung des Finanzministeriums. Von beiden Parteien werden hier Personen ins Spiel gebracht, die man offensichtlich durch Versetzung auf diesen Schleudersitz der Regierung ins Abseits stellen will (ARD-Morgenmagazin vom 5.10.2009). Leider konzentriert man sich hier aus parteipolitischen Gründen nur auf Berufspolitiker, bzw. auf sog. verdiente oder auch nicht verdiente Parteimitglieder.
Dabei wird völlig aus den Augen verloren, dass sich in den vergangenen Jahren einige Richter und noch mehr Rechtspfleger für den Posten des Finanzministers in herausragendem Maße direkt in doppelter Hinsicht qualifiziert haben.
Zum einen würde die Berufung auf diesen verantwortungsvollen Posten den Vorteil mit sich bringen, dass der betroffene Kandidat zumindest für eine gewisse Zeit von seinen beruflichen Pflichten entbunden wäre, zum anderen könnte man auf die mehrfach nachgewiesene Kreativität von Experten zurückgreifen, die sich um die öffentlichen Haushalte schon immer gesorgt haben. Wer Geschäftsgebühren – wie etwa in Walsrode oder Bremervörde – auf wundersame Weise verschwinden lässt oder – noch besser – Prozesskostenhilfegebühren (wie besonders im Bezirk Oldenburg) dadurch zu reduzieren versteht, dass man nicht gezahlte, ja nicht einmal in Rechnung gestellte (also fiktive) Gebühren abzieht, dem sollte es mit solchen Zauberkunststücken auch gelingen, ohne Neuverschuldung bei gleichzeitiger Steuersenkung die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen.
Unter all den vielen hochqualifizierten Kandidaten für das Finanzministerium hat sich im Mai 2009 ein Amtsrichter aus Helmstedt besonders empfohlen, gewissermaßen eine Art Sarrazin der deutschen Justiz.
Während jener Politiker, der zwischenzeitlich bei der Bundesbank einen Posten gefunden hat (und somit für das wichtige Amt nicht zur Verfügung steht) Hartz IV-Empfängern bei fehlendem Geld für das Heizöl die Nutzung eines Pullovers empfiehlt, werden Beratungshilfeempfänger in Helmstedt zum Heimstudium des zugegebenermaßen ganz besonders unkomplizierten deutschen Familienrechts aufgefordert.
In wohlformulierten Worten wird unter dem Az. 9 II 132/09 der Antrag eines rechtsuchenden Bürgers auf Beratungshilfe für die beabsichtigte Scheidung und Trennung mit der Begründung der fehlenden Eigeninitiative zurückgewiesen. Der Antragsteller habe – so heißt es wortwörtlich in einer deutschen Gerichtsentscheidung – "irgendeine öffentliche Bücherei aufsuchen" können, um im Jahre 2009 (schon einmal etwas vom FamFG gehört?) mit Hilfe eines Taschenbuches aus dem Jahre 2008 das "eheinteressierende Themengebiet" selbst zu studieren.
Erst nach der Lektüre des ausgeliehenen Buches könne der Rechtssuchende zur Beantwortung evtl. doch noch offen gebliebener konkreter Fragen anwaltliche Hilfe auf Kosten des Staates in Anspruch nehmen.
Solche Leute gehören in das Finanzministerium und solchen Haushaltsexperten ist es auch zuzutrauen, dass sie nicht nur Justizhaushalte zu sanieren verstehen, sondern auch erfolgreich den Gesundheitsbereich reformieren könnten.
Man muss die Idee des Heimwerkers nur konsequent weiterverfolgen:
Für Arzt- und Krankenhauskosten sollten sinnvollerweise in Zukunft Versicherungsleistungen nur noch zur Verfügung gestellt werden, wenn der Patient den Nachweis führt, dass er das Taschenbuch "Der kleine Selbstoperateur" und den Bestseller "Unsere Hausapotheke" bereits gelesen hat.
Kein Wunder, dass das Kabarett und die Satire im deutschen Fernsehen durch die unsäglichen Comedy-Shows abgelöst worden sind.
Das Kabarett ist im wahren Leben längst angekommen.
Herbert P. Schons