RVG § 22

Leitsatz

"Dieselbe Angelegenheit" i.S.d. § 22 RVG liegt (nur) dann vor, wenn ein einheitlicher Auftrag vorliegt, die Tätigkeit des Rechtsanwalts sich in gleichem Rahmen hält und zwischen den einzelnen Handlungen ein innerer Zusammenhang besteht. (hier: zwei Adhäsionsklagen in einer Hauptverhandlung).

KG, Beschl. v. 16.3.2009–1 Ws 11/09

1 Sachverhalt

Das LG hatte die beiden Zeuginnen T. u. L. als Nebenklägerinnen zugelassen und ihnen jeweils gem. § 397a Abs. 2 StPO die Beschwerdeführerin als Beistand bestellt. Außerdem hat es beiden Zeuginnen jeweils unter Beiordnung der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe für das von ihnen beantragte Adhäsionsverfahren bewilligt (§ 404 Abs. 5 StPO). Gegen die Angeklagten wurde später eine Gesamtfreiheitsstrafe bzw. eine Jugendstrafe verhängt. Zugleich hat das Gericht die Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz an die Adhäsionsklägerinnen verurteilt; den Gegenstandswert für die Adhäsionsverfahren hat es jeweils auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

In ihrem Antrag auf Festsetzung der aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung für die Adhäsionsverfahren hat die beigeordnete Rechtsanwältin für jede der Adhäsionsklägerinnen eine Verfahrensgebühr (Nr. 4143 VV) in Höhe von 378,00 EUR sowie die Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) in Höhe von 20,00 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer in Höhe von 75,62 EUR, mithin jeweils einen Betrag von 473,62 EUR und insgesamt 947,24 EUR, geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat lediglich einen Gesamtbetrag von 559,30 EUR festgesetzt. Die Absetzung hat sie unter Berufung auf § 22 RVG damit begründet, dass für die Berechnung der Verfahrensgebühr beide Gegenstandswerte zusammenzurechnen seien (= 6.000,00 EUR), woraus sich gem. Nr. 4143 VV i.V.m. § 49 RVG eine Verfahrensgebühr von 450,00 EUR ergebe. Des Weiteren hat sie nur eine Post- und Telekommunikationspauschale angesetzt.

Das LG hat die Erinnerung der Rechtsanwältin als unbegründet zurückgewiesen. Die fristgemäß eingelegte Beschwerde der Rechtsanwältin hat Erfolg.

2 Aus den Gründen

§ 22 RVG, der die Zusammenrechnung mehrerer Gegenstände "in derselben Angelegenheit" vorsieht, ist nicht einschlägig. "Dieselbe Angelegenheit" liegt (nur) dann vor, wenn ein einheitlicher Auftrag vorliegt, die Tätigkeit des Rechtsanwalts sich in gleichem Rahmen hält und zwischen den einzelnen Handlungen ein innerer Zusammenhang besteht (vgl. KG, Beschl. v. 9.2.2006–3 Ws 499/05 – u. 19.5.2006–4 Ws 136/05; Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), RVG, 2. Aufl., Vergütungs-ABC "Angelegenheiten (§§ 15 ff.)", Rn 5). Davon kann hier keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin ist von beiden Adhäsionsklägerinnen jeweils aufgrund eines eigenständigen Lebenssachverhaltes mit der Durchsetzung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche gegen die Angeklagten beauftragt und ihnen zu diesem Zweck vom Gericht beigeordnet worden. Der Umstand, dass beide Angelegenheiten in derselben Hauptverhandlung verhandelt wurden, macht sie noch nicht zu derselben Angelegenheit.

Auch für den Ansatz nur einer Post- und Telekommunikationspauschale gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Pauschale ist in jedem der beiden Adhäsionsverfahren angefallen.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und der Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dahin abzuändern, dass die Vergütung der Rechtsanwältin aus der Landeskasse für die Vertretung der Adhäsionsklägerinnen antragsgemäß jeweils auf 473,62 EUR festgesetzt wird und ihr somit ein weiterer Betrag von 387,94 EUR auszuzahlen ist.

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