GWB §§ 116 ff.; RVG VV Nrn. 1000, 2300, 2301
Leitsatz
- Mangels eines konkreten Gebührentatbestands verdient der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eine Geschäftsgebühr (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07 [= AGS 2008, 553]).
- Daneben kann der Rechtsanwalt grundsätzlich aber zusätzlich auch im Rahmen einer außergerichtlichen Tätigkeit die Einigungsgebühr Nr. 1000 VV verlangen, sofern deren Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.5.2009–1 Verg 1/09
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an einer Ausschreibung des Antragsgegners. Am 6.6.2008 hatte sie einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. In der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer v. 1.7.2008 wurde ein inzwischen bestandskräftiger Vergleich zwischen den Parteien geschlossen, der den Antragsgegner u.a. dazu verpflichtete, die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu übernehmen. Die Antragstellerin hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag v. 22.8.2008 u.a. beantragt, im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich auch eine 1,5-fache Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV in Höhe von 3.609 EUR (Geschäftswert: 333.600 EUR) festzusetzen. Nach Nr. 1. des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer v. 27.1.2009 wurden die vom Antragsgegner zu tragenden Kosten der Antragstellerin lediglich auf 2.915,30 EUR festgesetzt. Die beantragte 1,5-fache Einigungsgebühr wies die Vergabekammer mit der Begründung zurück, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Mitwirkung an dem im Vergabenachprüfungsverfahren geschlossenen Vergleich bereits durch die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV abgegolten sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde und dem Antrag,
1. den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes v. 27.1.2009–2 VK 01/2008, zu Nr. 1 der Beschlussformel insoweit aufzuheben, als dass die von der Antragstellerin beantragte Festsetzung der Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) abgelehnt wurde;
2. die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) in Höhe von 3.609,00 EUR zusätzlich zu den im Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes v. 27.1.2009–2 VK 01/2008, festgesetzten Kosten festzusetzen;
3. dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und tritt dem Begehren entgegen.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des Beschlusstenors.
Entgegen der Auffassung der Vergabekammer ist vorliegend eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV entstanden, deren Voraussetzungen tatbestandlich vorliegen. Diese Gebühr kann grundsätzlich neben der Gebühr aus Nr. 2300 VV bzw. Nr. 2301 VV entstehen und ist vorliegend nicht durch die Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV abgegolten.
1. Für seine Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient der Rechtsanwalt in Ermangelung eines konkreten Gebührentatbestands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 Abschnitt 3 des VV (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07). Die Gebührentatbestände Nrn. 2300 und 2301 VV sind im Nachprüfungsverfahren genauso anzuwenden, wie sie im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren anzuwenden wären. Die anwaltliche Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer gehört zu den "außergerichtlichen Tätigkeiten einschließlich der Vertretung in Verwaltungsverfahren" i.S.d. Vorschriften.
Neben diesen Gebühren nach Nrn. 2300 und 2301 kann der Rechtsanwalt grundsätzlich aber zusätzlich auch im Rahmen einer außergerichtlichen Tätigkeit die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV verlangen (Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., VV 2300 Rn 38; Hartmann, KostG, 38. Aufl., VV 2400 Rn 8), sofern deren Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind. Für die Annahme, dass dies für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens nicht gelten soll, die zu den "außergerichtlichen Tätigkeiten einschließlich der Vertretung in Verwaltungsverfahren gehört", lassen sich weder zwingende Gründe finden, noch spricht der zitierte Wortlaut der Nr. 2300 VV hierfür (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.4.2008–11 Verg 9/07).
In der Vorbem. 2.3 VV wird zwar als Tätigkeitsbeispiel ausgeführt, dass die Geschäftsgebühr auch für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages entstehen kann. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine abschließende Regelung. Die Ausarbeitung eines Entwurfs eines Vertrages, der danach abgeschlossen wird, kann – sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird – eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrages im Sinne der Nr. 1000 VV bedeuten. Wer als Anwalt an der Gestaltung eines Vertrages mitwirkt, der zugleich und unmittelbar zu einer Einigung der Vertragspa...