BGB § 280 Abs. 1; BORA § 16 Abs. 1
Leitsatz
Eine prozesskostenhilfebedürftige Partei kann dem Gebührenanspruch ihres Rechtsanwalts für sein Tätigwerden vor Einleitung des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens einen Schadensersatzanspruch entgegenhalten, wenn er sie nicht auf die Möglichkeit, hierfür Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen, hingewiesen hat.
OLG Celle, Beschl. v. 17.7.2009–3 U 139/09
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte mit ihrer auf Entlassung aus einer Bürgschaft gerichteten Klage in der Hauptsache voll obsiegt. Das LG hat die beklagte Bank verurteilt, die Klägerin aus der Bürgschaft zu entlassen. Den Anspruch hat das LG damit begründet, dass die Übernahme der Bürgschaft durch die Klägerin sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB sei, da sie durch die lediglich aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehemann übernommene Bürgschaftsverpflichtung für die Beklagte erkennbar krass überfordert gewesen sei.
Mit der beabsichtigten Berufung verfolgt die Klägerin ihren als Nebenforderung geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der aufgrund der vorgerichtlichen Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) weiter.
Das LG hat der Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltskosten mit der Begründung nicht zuerkannt, dass sich die Beklagte nicht im Verzug befunden habe, als mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft erstmals geltend gemacht wurde.
Die Klägerin hält – ungeachtet nicht vorliegenden Verzuges – einen Schadensersatzanspruch für gegeben. Aufgrund des sittenwidrigen und damit schuldhaft vorwerfbaren Verhaltens der Beklagten stehe ihr ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ihres Bevollmächtigten nach § 280 BGB zu. Die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts sei zur Verfolgung ihrer Rechte notwendig gewesen.
2 Aus den Gründen
Die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des LG bietet schon nach dem Vorbringen der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu versagen ist (§§ 114 S. 1, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO). Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der als Nebenforderung geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil ihr ein Schaden in Höhe der geltend gemachten Kosten für die vorprozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten nicht entstanden, dieser aber zumindest nicht adäquate Folge der Pflichtverletzung der Beklagten ist.
1. Zwar entsteht grundsätzlich zugleich ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.), wenn der nach § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit führende Sittenverstoß – wie hier – in einem Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner besteht (Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl. 2009, § 138 Rn 22). Die Haftung aus einem nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrigen Vertrag beschränkt sich nämlich nicht auf den Tatbestand des § 826 BGB. Vielmehr besteht der Haftungsgrund in der Verletzung der vorvertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme gegenüber dem anderen Vertragsteil (BGH, Urt. v. 12.11.1986 – VIII ZR 280/85). Zudem sind, wenn – wie hier – eine Vermögensverletzung den Haftungsgrund bildet, auch diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchführung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02).
2. Indes ist der Klägerin ein Schaden nicht entstanden, da sie ihrem Rechtsanwalt für seine vorprozessuale Tätigkeit weder Vergütung gezahlt hat noch eine solche schuldet.
a) Ein Anspruch der Partei auf Schadensersatz in Höhe der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entsteht erst, wenn sie den fälligen Vergütungsanspruch ihres Rechtsanwalts ausgeglichen hat. Bis dahin kann sie nur Freistellung von dieser Verbindlichkeit verlangen. Dass die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten aufgrund einer von ihm für seine vorprozessuale Tätigkeit gestellten Rechnung bezahlt hat, ist von ihr nicht vorgetragen und in Ansehung ihrer Prozesskostenhilfebedürftigkeit auch eher unwahrscheinlich.
b) Aber auch ein dann denkbarer Freistellungsanspruch der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB besteht nicht, weil sie ihrem Rechtsanwalt für dessen vorprozessuales Tätigwerden Gebühren nicht schuldet. Es besteht deshalb keine Verbindlichkeit, von der sie Freistellung verlangen könnte.
aa) Es ist anerkannt, dass einer i.S.v. §§ 114, 115 ZPO bedürftigen Partei für das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt, insbesondere kein Rechtsanwalt beigeordnet wird (BGH, Beschl. v. 30.5.1984 – VIII ZR 298/83). Ein Kostennachteil entsteht der prozesskostenarmen Partei hierdurch nicht, da das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist und dem Gegner außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 1 GKG, § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO). Sobald die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt ist, schützt § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die bedürftige Partei vor einer Inanspruchnahme durch ihren beigeordneten Rechtsanwalt für alle nach...