ZPO § 3
Leitsatz
Der Wert einer Klage auf Einsicht in Behandlungsunterlagen ist grundsätzlich mit 1/10 des zu erwartenden Schadensersatzanspruchs in der Hauptsache anzusetzen.
OLG Köln, Beschl. v. 13.8.2010–5 W 27/10
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen des Teilabhilfebeschlusses des LG, die sich der Senat zu Eigen macht und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, unbegründet.
Auch nach nochmaliger Überprüfung seiner Rspr. unter Auseinandersetzung mit den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Entscheidungen anderer Obergerichte hält der Senat daran fest, dass bei Klagen auf Einsicht in Behandlungsunterlagen – wie vorliegend – für den Streitwert regelmäßig ein Bruchteil von 1/10 des Hauptsachewerts anzusetzen ist. Das bedeutet nicht, dass der Streitwert im Einzelfall, auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 48 Abs. 2 GKG nicht anders, d.h. höher oder niedriger festzusetzen ist. Dafür bestehen hier aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte.
Wie der Senat im Beschl. v. 16.11.2009–5 U 32/09 (VersR 2010, 693) ausgeführt hat, ist für die Bestimmung des Werts einer Klage auf Einsicht in Behandlungsunterlagen das Interesse des jeweiligen Klägers an der begehrten Auskunft aus der ärztlichen Dokumentation maßgeblich. Dieses wiederum hängt davon ab, in welchem Maße der Patient auf die Vorlage entsprechender Unterlagen für die Beurteilung des Erfolgs einer Arzthaftungsklage angewiesen ist. Dabei sind freilich auch die geringen Anforderungen an die Substantiierungspflicht einer Arzthaftungsklage zu berücksichtigen. Sie rechtfertigen es, den Wert des Einsichtsbegehrens für den Regelfall auf 1/10 des Hauptsachewerts zu beschränken, insbesondere, wenn der Patient – wie es hier nahe liegt (vgl. nur die Ausführungen der Klägerin im Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens) – auch ohne Einsicht in die Behandlungsunterlagen in der Lage ist, die Arzthaftungsklage schlüssig zu begründen. Wie der Senat in dem Beschl. v. 16.11.2009 ebenfalls betont hat, sind hingegen sonstige Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit erlangt werden können, nicht entscheidend. Das gilt insbesondere, soweit sich diese Erkenntnisse, wie hier etwa, dass keine Behandlungsunterlagen vorhanden sind, nur auf die Beweislage auswirken und dem Kläger den Nachweis von Fehlern erleichtern können. Das ist freilich jedem Auskunftsbegehren in Hinblick auf den beabsichtigten Haftungsprozess immanent und stellt daher keinen Grund dar, von der regelmäßigen Bewertung eines solchen Verfahrens abzuweichen. Dass die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte für das Interesse der Klägerin an diesem Rechtsstreit unbeachtlich sind und damit bei der Streitwertbemessung nach § 3 ZPO keine Rolle spielen, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.
Hinweis der Schriftleitung
Die zugrunde liegende Entscheidung des LG Köln ist abgedr. in AGS 2010, 100 = VersR 2010, 693 mit krit. Anm. von Riemer in AGS 2010, 247.
Anmerkung
Mittlerweile liegen zur Frage der Streitwertbemessung bei Einsichtsklagen in medizinische Behandlungsdokumentationen drei unterschiedliche Entscheidungen von Oberlandesgerichten aus neuerer Zeit vor. Das OLG Saarbrücken, bemisst die Einsichtsklage mit regelmäßig 10–25 % der Hauptsache, spricht aber auch davon, dass je nach Konstellation der Streit um das Einsichtsrecht bis zu 100 % des Hauptsachestreitwerts ausmachen kann (dem ist zuzustimmen). Das OLG Nürnberg gelangt in der vorstehend abgedruckten Entscheidung immerhin noch zu einem Regelstreitwert von 20 %. Nur das OLG Köln hat bislang wiederholt tiefgestapelt und den Gebührenstreitwert auf regelmäßig 10 % der Hauptsache abgesenkt. Ebenso beliebig wie die Gerichte zur Höhe von Schmerzensgeldansprüchen entscheiden, verfahren sie somit auch bei der Streitwertbemessung – es gibt bundesweit hierzu keine einheitliche Linie und Hilfe durch den BGH ist nicht in Sicht; dieser lehnt es sogar aktiv ab, sich in diesen Streit einzumischen.
Anwälte und Parteien haben sich daher darauf einzurichten, dass in den Streitwertberechnungen drei unbekannte Größen auftreten:
- Welches Gericht entscheidet, bzw. welcher bestehenden Linie schließt sich das entscheidende Gericht an?
- Was bedeutet "regelmäßig"?
- Wie hoch ist der Wert der Hauptsache?
Tatsächlich lassen sich die Entscheidungslager zunächst aufteilen in 10 %-ige und mehr als 10 %-ige Spruchkörper. Dass ein Gericht beim Ansatz des Streitwerts auch einmal unter 10 % geht, dürfte eine ebenso seltene Ausnahme sein, wie der Ansatz von mehr als 25 %. Am realistischsten scheint daher bislang das OLG Saarbrücken die Dinge zu sehen.
Sodann wird das Gericht entscheiden müssen, ob ein "Regelfall" einer Einsichtsklage vorliegt. Regelfall – was ist das? Wie verhalten sich Therapeuten regelmäßig, wenn sie auf Einsicht verklagt werden? Oder anders: In welchem Umfang verlangen Patienten in der Regel Einsicht und Auskunft? Oder auch: Von welchen Schwierigkeiten ist der Einsichtsstreit regelmäßig gekennzeichnet? Fra...