RVG VV Nr. 3106, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104
Leitsatz
Bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), erhält der Rechtsanwalt keine Terminsgebühr in analoger Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
LSG Sachsen, Beschl. v. 9.12.2010 – L 6 AS 438/10 B KO
1 Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hatte im Auftrag von zwei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Anspruchstellern Klage zum SG erhoben. Die Beteiligten einigten sich, die Sache vergleichsweise zu regeln, und zwar entsprechend einer Regelung in einem Parallelverfahren. Nachdem zunächst noch wegen gewisser Einzelposten nicht völlige Übereinstimmung in den schriftsätzlichen Erklärungen der Beteiligten bestand, schlug das Gericht … einen Vergleich vor, der eine Kostenregelung (50 %) enthält und den ausdrücklichen Satz, dass der Rechtsstreit vollumfänglich erledigt ist. Nachdem die Beklagte auch diesen Vergleich noch nicht annehmen wollte und einen zu ihren Gunsten um 0,54 EUR abgeänderten Vergleich vorschlug, mit dem sich die Klägerseite sofort einverstanden erklärte, erließ das SG folgenden Beschluss, in dem nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde, dass der ausgehandelte Vergleich zwischen den Beteiligten zustande gekommen ist.
Anschließend wurde im Rahmen der Kostenfestsetzung auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV angemeldet. Diese Gebühr wurde abgesetzt.
Mit der dagegen erhobenen Erinnerung wurde geltend gemacht, es liege sehr wohl der Tatbestand der Nr. 3106 VV vor, wonach die Terminsgebühr in Verfahren vor dem SG auch dann entstehe, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Der den Vergleich feststellende Beschluss sei eine solche Entscheidung.
Gegen die Zurückweisung haben die Kläger Beschwerde eingelegt, die jedoch ebenfalls erfolglos blieb.
2 Aus den Gründen
Streitig ist lediglich, ob eine "fiktive Terminsgebühr" in Analogie zu Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auch in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), dann entsteht, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, "ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird".
Zu der Frage, inwiefern der Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV über ihren Wortlaut hinaus in Analogie zu Nr. 3104 VV ausgedehnt werden muss, hat der Senat bereits mit Entscheidung vom 17.7.2006 (L 6 B 168/06 R-KO) Stellung genommen. Es heißt dort:
In Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, also in Verfahren wie dem vorliegenden mit nach § 183 SGG kostenprivilegierten Klägern (§ 197a Abs. 1 SGG), entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Verfahrensgebühr beträgt nach Nr. 3102 VV 40,00 bis 460,00 EUR, die Mittelgebühr ist mithin bei 250,00 EUR anzusetzen. Gem. § 3 Abs. 1 S. 2 werden in sonstigen Verfahren die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Für die Berechnung der Gebühr nach dem Gegenstandswert schreibt § 13 RVG eine starre Gebührentabelle vor. Von diesen Sätzen entsteht dann die 1,3-fache Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) und eine 1,2-fache Terminsgebühr (Nr. 3104 VV). In dieser Norm ist festgelegt, dass die Gebühr auch entsteht, wenn
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in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, |
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nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder |
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das Verfahren vor dem SG nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. |
Für die Fälle nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG (Fälle mit Betragsrahmengebühr) gilt allerdings eine grundsätzlich andere Berechnung. Es wird nicht auf die Tabelle nach § 13 RVG Bezug genommen, vielmehr nennt § 14 RVG mehrere Kriterien, die es ermöglichen, innerhalb des in der Regel sehr breit gefassten Rahmens eine Gebühr zu bestimmen. Die Verfahrensgebühr bestimmt sich in diesen Fällen nach Nr. 3102 VV und beträgt 40,00 bis 460,00 EUR, im denkbar unkompliziertesten Fall also 40,00 EUR. Eine Terminsgebühr entsteht auch in diesen Fällen, und zwar nach der Nr. 3106 VV i.H.v. 20,00 bis 380,00 EUR. Die Gebühr entsteht auch – so der ausdrückliche Wortlaut –, wenn
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in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, in Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, |
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nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder |
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das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. |
Die drei Ziffern von Nrn. 3104 und 3106 VV entsprechen sich also mit Ausnahme des "schriftlichen Vergleichs", der in Nr. 3106 nicht erwähnt ist.
Es handelt sich hierbei nicht um ein Redaktionsversehen (vgl. hierzu auch SG Berlin, Beschl. v. 27.10.2005 – S 15 KN 23/03, RVGreport 2006, 106). Dass in Nr. 3106 VV der "schriftliche Vergleich" nicht erwähnt w...