ZPO § 106
Leitsatz
Sind die Kosten des Rechtsstreits nach Quoten verteilt und meldet daraufhin eine Partei die ihr entstandenen Kosten zur Festsetzung an, so ist die andere Partei nicht gezwungen, ihre Kosten in diesem Verfahren zur Ausgleichung anzumelden. Sie kann auch abwarten, bis zugunsten des Gegners einseitig festgesetzt worden ist und dann einen eigenen selbstständigen Festsetzungsantrag stellen.
LG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.7.2011 – 11 T 73/11
1 Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Verfahren hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach der Kläger 70 % der Kosten zu tragen hatte und die Beklagte 30 %. Der Kläger war rechtsschutzversichert mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR. Der Rechtsschutzversicherer des Klägers hatte die Kosten seines Anwalts auch bereits bezahlt, allerdings abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung und abzüglich der Reisekosten des Anwalts, da diese bedingungsgemäß nicht versichert waren.
Nach Abschluss des Rechtsstreits beantragte die Beklagte beim AG die Festsetzung ihrer Kosten. Die Rechtspflegerin leitete diesen Kostenfestsetzungsantrag daraufhin an den Prozessbevollmächtigten des Klägers weiter und forderte ihn auf, seinerseits die Kosten des Klägers anzumelden, damit die Kostenausgleichung nach § 106 ZPO durchgeführt werden könne. Der Kläger erklärte daraufhin durch seinen Prozessbevollmächtigten, dass er nicht beabsichtige, sich an der Kostenausgleichung zu beteiligen; er wolle vielmehr eine getrennte Festsetzung; daher würden zunächst keine Kosten angemeldet; das Gericht möge zunächst 70 % der angemeldeten Kosten der Beklagten festsetzen; nach Abschluss dieses Festsetzungsverfahrens werde der Kläger dann seinerseits einen gesonderten Festsetzungsantrag stellen, sodass zu seinen Gunsten anschließend 30 % der ihm entstandenen Kosten festgesetzt werden könnten. Der Rechtspfleger wies darauf hin, dass er dieses Vorgehen für unzulässig halte. Nachdem der Kläger daraufhin aber seine Kosten immer noch nicht anmeldete, setzte der Rechtspfleger schließlich einseitig zugunsten der Beklagten 70 % deren Kosten fest. Nach Rechtskraft dieses Festsetzungsbeschlusses beantragte der Kläger seinerseits, die ihm entstandenen Kosten zu 30 % gegen die Beklagte festzusetzen. Dieses Festsetzungsgesuch wies der Rechtspfleger als unzulässig zurück. Er führte aus, der Kläger hätte sich an der Kostenausgleichung beteiligen müssen. Da er dies trotz Aufforderung nicht getan habe, sei er mit seinem Kostenerstattungsanspruch nunmehr ausgeschlossen. Die gesamte Festsetzung sei insbesondere rechtsmissbräuchlich, weil dadurch unnötigerweise staatliche Ressourcen gebunden würden.
Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist auch begründet. Das AG hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die Vorschrift des § 106 ZPO im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit eine doppelte Festsetzung der Kosten durch den Rechtspfleger verhindern soll, doch lässt § 106 Abs. 2 S. 2 ZPO die Möglichkeit zu, dass eine Partei nachträglich die Erstattung der Kosten geltend machen kann. Es ist zwar zutreffend, dass sich die Ausnahmevorschrift vorwiegend auf die Fälle der Säumnis bezieht, in denen eine Partei nicht innerhalb der Wochenfrist ihren Antrag eingereicht hat, doch kann der Klägerin im vorliegenden Fall kein Nachteil daraus erwachsen, dass sie sich binnen dieser Frist gemeldet und ihre Nichtteilnahme an einem Kostenausgleichungsverfahren mitgeteilt hat. Es mag zwar sein, dass es zur Vermeidung von Missverständnissen sinnvoller gewesen wäre, sogleich mitzuteilen, dass man später einen nachträglichen eigenen Festsetzungsantrag zu stellen beabsichtige, doch führt dies nicht dazu, dass ein solcher Antrag nunmehr rechtsmissbräuchlich ist.
Es ist anerkannt, dass die säumige Partei grundsätzlich auch nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses für den Gegner das Recht behält, ihren Kostenanspruch nachträglich in einem gesonderten weiteren Festsetzungsverfahren geltend zu machen (Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 106 Rn 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 106 Rn 12). Wie dargelegt kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten, da der Partei dieses Recht nicht aufgrund der bloßen Mitteilung, man wolle am Kostenausgleichungsverfahren nicht teilnehmen, genommen werden kann. Insofern ist ihr Anliegen nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt lediglich in den Fällen, in denen erst im Rahmen der Beschwerde weitere Kostenfestsetzungen geltend gemacht werden. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.