ZPO § 3
Leitsatz
Der Streitwert einer Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit ist nicht nach dem bezifferten Schuldbetrag, sondern ihrer zu schätzenden wirtschaftlichen Bedeutung zu bemessen, wenn eine künftige Inanspruchnahme des Klägers in der Zukunft als ausgeschlossen erscheint.
BGH, Besch. v. 14.7.2011 – III ZR 23/11
1 Aus den Gründen
Bei der Festsetzung des Streitwerts ist neben den Zahlungsanträgen in Höhe von 2.782,50 EUR und 8.489,25 EUR für die beantragten Freistellungen von den noch offenen Ratenzahlungsverpflichtungen bezüglich der streitgegenständlichen Beteiligung an der AG & Co. KG gem. § 3 ZPO ein Wert von 20 v.H. des Nominalbetrags von 24.260,25 EUR (= 4.852,05 EUR) zu veranschlagen.
Grundsätzlich entspricht der Streitwert einer Klage auf Freistellung von einer Verbindlichkeit dem bezifferten Schuldbetrag (vgl. BGH, Beschl. v. 21.121989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958). Offen gelassen hat der BGH bisher, ob eine geringere Bewertung geboten ist, wenn die Gefahr der Inanspruchnahme fern liegt (BGH a.a.O.; s. auch OLG Karlsruhe AnwBl 1973, 168). Eine geringere Bewertung des Freistellungsinteresses ist jedoch im Rahmen des nach § 3 ZPO auszuübenden Ermessens möglich, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine solche Bewertung rechtfertigen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 57; s. auch Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn 1563; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon S. 76; a.A. Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 3 Rn 24; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn 16 "Befreiung"; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn 48 "Befreiung von Verbindlichkeit"; einschränkend auch OLG Karlsruhe OLGR 1998, 16).
Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit vor, dass nicht die Frage der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme im Raum steht, sondern nach dem eigenen Vortrag der Kläger eine solche Inanspruchnahme ausscheidet. Dies liegt darin begründet, dass die Insolvenz der Anlagegesellschaft vor mehreren Jahren eingetreten ist und bislang keine Inanspruchnahme der Kläger aus dem Vertrag über die Anlage durch den Insolvenzverwalter erfolgt ist. Hinzukommt, dass das der beabsichtigten Anlage zugrunde liegende Rechtsgeschäft nach dem Vortrag des Klägers und den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die BaFin untersagt wurde. Bei dieser Sachlage erscheint auch künftig eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter ausgeschlossen. Deshalb ist die – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Berufungsgerichts – wirtschaftliche Bedeutung der Befreiung von dieser Verbindlichkeit so gering zu veranschlagen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, den Streitwert nach dem Nominalbetrag der Forderung zu bemessen, von der die Freistellung begehrt wird. Vielmehr ist hier prägend für die wirtschaftliche Bewertung des Streitgegenstands die Schadensersatzforderung hinsichtlich der geleisteten Anlagebeträge.
Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Werts des Befreiungsanspruchs hat sich der Senat an der eigenen Bewertung durch den Kläger in der Klageschrift (20 v.H. des Nominalbetrags) orientiert. Erst auf entsprechende Nachfrage des LG ist er von der Bewertung des Befreiungsanspruchs abgerückt.
Mitgeteilt von Reg-Dir. a.D. Heinrich Hellstab, Berlin