ZPO §§ 3, 9 GKG § 41
Leitsatz
Der Wert einer Klage auf zukünftige Nutzungsentschädigung ist mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (42 Monate) anzusetzen. Eine geringere Laufzeit ist nicht deswegen anzunehmen, weil die gekündigten Mieter voraussichtlich nicht mehr so lange im Objekt bleiben werden.
AG Meldorf, Beschl. v. 12.4.2011 – 81 C 1534/10
1 Sachverhalt
Die Kläger haben die Beklagten auf Räumung eines Wohnhauses (Klageantrag zu 1), auf Zahlung von in der Hauptsache 1.100,00 EUR rückständiger Mieten für die Monate August und September 2010 (Klageantrag zu 2) sowie auf Feststellung, dass die Beklagten eine monatliche Nutzungsentschädigung von 550,00 EUR bis zur vollständigen Räumung zu zahlen haben (Klageantrag zu 3), verklagt. Das Wohnhaus war den Beklagten gegen Zahlung einer Monatsmiete von 550,00 EUR, davon 100,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung, überlassen worden.
Mit Beschl. v. 16.12.2010 ist der Streitwert für die Gerichtsgebühren vorläufig auf 24.980,00 EUR festgesetzt worden. Zur Begründung ist angegeben worden:
„Der Wert des Klageantrags zu 1) beträgt 5.400,00 EUR (12 x 450,00 EUR).
Der Wert des Klageantrags zu 2) beträgt 1.100,00 EUR.
Der Wert des Klageantrags zu 3) beträgt 18.480,00 EUR (42 x 550,00 EUR x 80 %). Nach der Rspr. des BGH bemisst sich der Wert einer Klage auf Zahlung künftigen Mietzinses nach § 9 ZPO (BGH NZM 2004, 423). Dies gilt auch für Klagen auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung (OLG Hamm FamRZ 2008, 1208). Weil vorliegend nur Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung begehrt wird, sind 80 % des Werts nach § 9 ZPO in Ansatz zu bringen.”
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, mit dem sich die Beklagten zur Räumung, zur Zahlung von 3.300,00 EUR an Miete bzw. Nutzungsentschädigung für die Monate August 2010 sowie November 2010 bis März 2011 sowie für die Zukunft zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 550,00 EUR bis zur vollständigen Räumung verpflichtet haben.
Der Streitwert für die Gerichtsgebühren ist mit Nr. 1 des Beschlusses auf 24.980,00 EUR festgesetzt worden, wobei der Wert des Vergleichs diesen Wert um 2.200,00 EUR übersteige. Zur Begründung ist auf den Beschl. v. 16.12.2010 Bezug genommen worden.
Gegen Nr. 1 des Streitwertbeschlusses legen die Beklagten Beschwerde ein und beantragen, den Streitwert insoweit auf 13.100,00 EUR festzusetzen. Unter Bezugnahme auf den Beschl. des OLG Stuttgart v. 17.1.2011 – 5 U 158/10 vertreten sie die Auffassung, der Wert des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3) beschränke sich auf eine Jahresbruttomiete von 6.600,00 EUR.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Wert des Verfahrensgegenstandes ist zutreffend auf 24.980,00 EUR festgesetzt worden. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses vom 16.12.2010 Bezug genommen.
Insbesondere beträgt der Wert des Antrags der Kläger festzustellen, dass die Beklagten bis zur vollständigen Räumung eine monatliche Nutzungsentschädigung von 550,00 EUR zu zahlen haben, 18.480,00 EUR, nämlich 80 % von 42 x 550,00 EUR (§§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 9 ZPO). § 9 ZPO ist auf diesen Feststellungsantrag anwendbar (OLG Stuttgart v. 7.2.1997 – 13 W 3/97; für Mietzahlungen auch BVerfG NJW 1996, 1531; BGH NJW-RR 2005, 938; BGH NZM 2004, 824; a.A. noch BGH NJW 1958, 1967 für Mietzinsen; OLG Stuttgart v. 17.1.2011 – 5 U 158/10; OLG Nürnberg OLGR 2006, 318; KG v. 22.12.2005 – 12 W 46/05; KGR 2000, 234; OLG Frankfurt OLGR 2004, 201; OLG Karlsruhe MDR 1977, 407; LG Bonn v. 1.7.2009 – 6 S 36/09; LG Köln v. 10.9.2007 – 1 T 231/07; LG Potsdam v. 11.10.2007 – 11 T 68/06; LG Dessau v. 28.6.2006 – 2 O 620/05), weil § 546a BGB ein Recht auf wiederkehrende Geldleistungen begründet. § 41 Abs. 1 GKG ist auf die vorliegende Fallkonstellation dagegen nicht anwendbar (vgl. BGH NJW-RR 2005, 938).
Soweit der Anwendungsbereich des § 9 ZPO teilweise teleologisch auf Rechte reduziert wird, die typischerweise von Dauer sind (RGZ 81, 373; BGHZ 36, 144; LG Stuttgart v. 17.1.2011 – 5 U 158/10; OLG Nürnberg OLGR 2006, 318; KG v. 22.12.2005 – 12 W 46/05; a.A. OLG Stuttgart v. 7.2.1997 – 13 W 3/97), ist eine solche teleologische Reduktion nicht angezeigt. Eine teleologische Reduktion griffe in das Grundrecht der mit der Sache befassten Rechtsanwälte aus Art. 12 GG ein, weil eine Minderung des Streitwerts den Gebührenanspruch der Prozessbevollmächtigten minderte (vgl. BVerfGK 6, 130). Dieser Grundrechtseingriff ist aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck des § 9 ZPO heraus nicht zu rechtfertigen.
§ 9 ZPO ist seinem Inhalt nach eindeutig und keiner abweichenden Auslegung zugänglich (BVerfG NJW 1996, 1531). Im Wortlaut des § 9 ZPO findet sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass nur typischerweise dauerhafte Rechte erfasst sein sollten (ebenso RGZ 81, 373, 376).
Auch dass der Gesetzgeber derlei beabsichtigt habe, ist nicht ersichtlich. Anlässlich der letzten Änderung des § 9 ZPO hat die Bundesregierung ausgeführt (BT-Drucks 12/1217, 64):
"Bei Mieterhöhungsklagen im Wohnraum-Mie...