RVG VV Nrn. 3104, 3105

Leitsatz

Erscheint zum Termin zur mündlichen Verhandlung der Gegner nicht und wird vor dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils die Klage im Termin teilweise zurückgenommen, so entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert und nicht nur lediglich die nach Nr. 3105 VV ermäßigte 0,5-Terminsgebühr.

ArbG Siegburg, Beschl. v. 29.8.2011 – 1 Ca 1093/10

1 Sachverhalt

Die Klägerin, der Prozesskostenhilfe bewilligt war, hatte vor dem ArbG gegen ihren Arbeitgeber Klage eingereicht und rückständigen Lohn verlangt. Darüber hinaus hat sie die Herausgabe der Lohnsteuerkarten für die Jahre 2009 und 2010 begehrt. Im Termin erschien für den beklagten Arbeitgeber niemand. Das Gericht wies darauf hin, dass der Antrag auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte für 2010 nicht begründet sei, sodass der Anwalt diesen Klageantrag zurücknahm und im Übrigen Versäumnisurteil beantragte, das auch antragsgemäß erging.

Hiernach beantragte er die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr gegenüber der Landeskasse.

Der Urkundsbeamte setzte lediglich eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV fest, da lediglich ein Versäumnisurteil ergangen sei. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Für die Entstehung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV ist grundsätzlich nur die Vertretung in einem Verhandlungstermin erforderlich (s. Vorbem. 3 Abs. 3 VV). Bei Nr. 3105 VV ist abschließend aufgeführt, wann eine Reduzierung der Terminsgebühr eintritt. Der Fall der (teilweisen) Klagerücknahme ist bei Nr. 3105 VV nicht aufgeführt, sodass insofern keine Gebührenreduzierung eintritt.

Mitgeteilt von RA Norbert Monschau, Erftstadt

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist dem Grunde nach zutreffend. Soweit in einem Termin die Klage zurückgenommen wird oder vor Erlass des Versäumnisurteils erörtert wird, entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr.[1]

Bemerkenswert ist, dass das Arbeitsgericht hier nicht § 15 Abs. 3 RVG anwendet, also aus den Gegenständen, über die lediglich ein Versäumnisurteil ergangen ist, die 0,5-Terminsgebühr zuspricht und aus den weiteren Gegenständen die 1,2-Terminsgebühr. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass bei einer solchen Konstellation aus dem gesamten Gegenstandswert die volle 1,2-Terminsgebühr anfällt.[2]

 
Praxis-Beispiel

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht und ist auch nicht anwaltlich vertreten. Das Gericht weist darauf hin, dass zwar der Klageantrag zu 1) über 4.000,00 EUR schlüssig sei, nicht jedoch der Klageantrag zu 2) über 6.000,00 EUR. Durch die Erörterung lässt sich das Gericht überzeugen und erlässt das Versäumnisurteil über die Gesamtforderung.

Aus dem Teilwert von 4.000,00 EUR ist nur die 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV angefallen, da insoweit nur ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden ist. Aus dem weiteren Teilwert von 6.000,00 EUR ist die 1,2-Terminsgebühr entstanden, da insoweit vor Erlass des Versäumnisurteils erörtert worden ist.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 10.000,00 EUR)   631,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    
  (Wert: 6.000,00 EUR)   405,60 EUR
3. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV    
  (Wert: 4.000,00 EUR)   122,50 EUR
  (die Höchstgrenze gem. § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 10.000,00 EUR = 583,20 EUR ist nicht erreicht)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.179,90 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   224,18 EUR
Gesamt     1.404,08 EUR

A.A. ist allerdings Schons,[3] der in den vorstehenden Fällen – wie das ArbG Siegburg – von vornherein eine volle 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert abrechnet:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 10.000,00 EUR)   631,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    
  (Wert: 10.000,00 EUR)   583,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.235,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   234,65 EUR
Gesamt     1.469,65 EUR

Unterschiede zwischen diesen beiden Auffassungen ergeben sich jedoch nur, wenn § 15 Abs. 3 RVG nicht greift, wenn also die Summe der Einzelgebühren unter dem Betrag einer Gebühr nach dem Höchstsatz aus dem Gesamtwert liegt.

Norbert Schneider

[1] So bereits OLG Köln AGS 2006, 224 m. Anm. Schons = JMBlNW 2006, 144 = JurBüro 2006, 254 = RVGreport 2006, 104.
[2] Anm. zu OLG Köln AGS 2006, 224.
[3] Anm. zu OLG Köln AGS 2006, 224.

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