BGB §§ 611, 612 Abs. 1, 675; RVG §§ 2 Abs. 2 S. 1, 14 Abs. 1
Leitsatz
- Bei einem Vertrag über eine anwaltliche Erstberatung gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung im Regelfall als stillschweigend vereinbart.
- Auf die Entgeltlichkeit der Erstberatung muss der Anwalt nur bei erkennbarer Fehlvorstellung oder wirtschaftlichen Problemen des Mandanten hinweisen.
AG Wiesbaden, Urt. v. 8.8.2012 – 91 C 582/12 (18)
1 Aus den Gründen
Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 179,15 EUR aus dem Anwaltsvertrag i.V.m. §§ 675, 611 BGB i.V.m. §§ 2 Abs. 2 S. 1, 14 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 3 RVG.
Zwischen den Parteien wurde ein Anwaltsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat den Kläger um anwaltliche Beratung ersucht, der Kläger hat diesen Antrag angenommen, indem er die Beratung durchführte, §§ 145 ff. BGB. Es handelte sich hierbei auch um einen entgeltlichen Vertrag. Der Vertrag zwischen Anwalt und Mandant ist regelmäßig ein Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB, welcher eine entgeltliche Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 BGB zum Inhalt hat. Dabei gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Geschäftsbesorgung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Dies ist bei anwaltlicher Tätigkeit grundsätzlich der Fall, wie bereits die Regelung in § 34 Abs. 1 S. 2 RVG zeigt, der u.a. Regelungen zu den Gebühren für die anwaltliche Erstberatung enthält und wie es auch der Praxis entspricht.
Sollte sich der Beklagte über die Entgeltlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit falsche Vorstellungen gemacht haben, ist dies für die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrags und seine Zahlungspflicht unbeachtlich.
Etwas anderes würde sich nur dann ergeben, wenn der Beklagte vor Vertragsschluss dem Kläger zu erkennen gegeben hätte, dass er von einer unentgeltlichen Beratung ausgehe und der Kläger sich darauf eingelassen hätte. Für seine dahingehende Behauptung hat der Beklagte keinen zulässigen Beweis angeboten.
Seine Behauptung, er habe zu Beginn des Gesprächs in der Kanzlei erklärt, er sei finanziell nicht in der Lage, Kosten zu tragen, hat der Beklagte nicht unter Beweis gestellt.
Soweit der Beklagte weiter vorgetragen hat, er habe den Kläger auf seine prekäre wirtschaftliche Lage hingewiesen und hierfür Beweis durch Parteivernehmung des Beklagten angeboten hat, war dem nicht nachzugehen. Denn die gem. § 447 ZPO hierfür notwendige Zustimmung des Klägers liegt nicht vor. Eine Vernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, da keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten sprechen.
Der vom Beklagten für seine weitere, ebenfalls streitige Behauptung, es habe einen Erstkontakt mit dem Kläger per Telefon gegeben, bei dem der Beklagte klar und deutlich gesagt habe, er habe keine finanziellen Möglichkeiten, Kosten zu tragen, angebotene Beweis ist nicht zu erheben. Denn die vom Beklagten zu dem streitigen Gespräch benannten Zeugen sollen das Telefongespräch per Lautsprecher mitgehört haben. Dass der Beklagte seinen Gesprächspartner über diesen Umstand informiert und dieser damit einverstanden gewesen wäre, hat der Beklagte – trotz Hinweises des Gerichts – nicht vorgetragen. Damit ist die Beweiserhebung unzulässig, da sie in das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrechts des Klägers eingreifen würde (vgl. hierzu und zum folgenden BVerfG, Beschl. v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96 u. 1 BvR 805/98). Dieses umfasst den Schutz der Möglichkeit, sich auf den jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen und zu entscheiden, ob der Inhalt eines Gesprächs allein dem Gesprächspartner oder einem weiteren Personenkreis zugänglich sein soll. Diese Möglichkeit wird einem Gesprächsteilnehmer genommen, der bei einem Telefonat nicht darüber informiert wird, dass bei seinem Gesprächspartner der Lautsprecher des Telefons eingeschaltet ist und weitere Personen mithören. Gründe, die einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Schließlich kann der Beklagte gegen seine Zahlungspflicht auch nicht einwenden, der Kläger habe ihn darüber aufklären müssen, dass die anwaltliche Erstberatung entgeltpflichtig sei. Eine solche Hinweispflicht besteht nicht allgemein, sondern nur dann, wenn der Mandant für den Anwalt erkennbar davon ausgeht, nicht zahlen zu müssen, etwa weil er zu Beginn der Beratung deutlich macht, keine Kosten übernehmen zu können. Dass der Beklagte dies deutlich gemacht hat, ist, wie bereits ausgeführt, nicht bewiesen. Die aus § 49b Abs. 5 BRAO folgende Hinweispflicht gilt nicht für die Erstberatungsgebühr, da es sich die Erstberatungsgebühr nicht nach dem Gegenstandswert richtet.