FamFG §§ 78 Abs. 2, 174, 177
Leitsatz
In einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist dem antragstellenden Beteiligten im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt beizuordnen.
BGH, Beschl. v. 13.6.2012 – XII ZB 218/11
1 Sachverhalt
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Antragstellerinnen die Beiordnung ihres erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen der ihnen für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe.
Die Beteiligten zu 3) und 4) sind geschiedene Eheleute. Die Antragstellerinnen wurden von der Beteiligten zu 3) vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags geboren. Die Antragstellerinnen haben vor dem AG die Vaterschaft des Beteiligten zu 4) mit der Begründung angefochten, Letzterer habe während der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr mit ihrer Mutter gehabt. Ihr Vater sei vielmehr ein anderer Mann, der die Vaterschaft anerkennen werde.
Der Beteiligte zu 4) hat erklärt, es treffe zu, dass er nicht der leibliche Vater der Antragstellerinnen sei. Er werde der Anerkennung durch den leiblichen Vater zustimmen. Auch einer möglichen biologischen Untersuchung stimme er zu. Der Antrag der Antragstellerinnen sei seinem eigenen Antrag zuvorgekommen.
Das FamG hat den Antragstellerinnen Verfahrenskostenhilfe bewilligt, den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts aber zurückgewiesen. Die von den Antragstellerinnen dagegen eingelegte Beschwerde zum OLG ist erfolglos geblieben. Hiergegen wenden sie sich mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das OLG hat seine in FamRZ 2011, 1610 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beiordnung eines Anwalts setze gem. § 78 Abs. 2 FamFG voraus, dass die Sach- und Rechtslage schwierig sei. Dabei genüge es, wenn nur die Sach- oder nur die Rechtslage schwierig sei. Entscheidend sei, ob ein bemittelter Rechtsuchender, der seine Prozessaussichten vernünftig abwäge und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtige, in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Dabei seien auch die subjektiven Fähigkeiten des Rechtsuchenden zu berücksichtigen. Die Beurteilung sei nicht aus der Perspektive des erfahrenen Familienrichters, sondern aus Sicht des juristischen Laien vorzunehmen. Zum neuen Recht sei der BGH zu einer von seiner früheren Rspr. ausdrücklich abweichenden Auffassung gelangt, wonach die existentielle Bedeutung des Verfahrens allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht mehr rechtfertigen könne, denn nach der Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 2 FamFG erfülle die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten die Voraussetzung für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht mehr. Die Beurteilung, ob die Beiordnung erforderlich sei, sei nach sämtlichen Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei sei die Sachlage nicht schon deshalb schwierig, weil ein Abstammungsgutachten eingeholt werden müsse. Die vom Sachverständigen gefundenen Ergebnisse seien im Allgemeinen ohne weiteres verständlich und nachvollziehbar. Zur Durchdringung der darüber hinausgehenden molekulargenetischen Frage werde ein beigeordneter Rechtsanwalt meist ebenso wenig beitragen können wie die Beteiligten selbst. Ebenso wenig sei von Schwierigkeiten i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG allein schon deshalb auszugehen, weil im Abstammungsverfahren strenge Beweisanforderungen gelten würden, die den Familiengerichten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiteten. Es könne aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Familiengerichte solchen Verfahren nicht gewachsen seien. Schließlich sei die Sach- und Rechtslage auch nicht deshalb schwierig, weil das Verfahren in Abstammungssachen gegenüber anderen Zivilprozess- und Familienverfahren Besonderheiten aufweise. Die Abweichungen und die materiellrechtlichen Regelungen der Vaterschaftsanfechtung seien nicht so komplex, dass sie von einem Laien – gegebenenfalls mit Hilfe der Rechtsantragsstelle – nicht bewältigt werden könnten.
Die somit maßgebliche Abwägung der Umstände des Einzelfalls ergebe, dass das Abstammungsverfahren keine Schwierigkeiten aufwerfe, die die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich erscheinen lasse. Sämtliche Beteiligte seien sich einig, dass der Beteiligte zu 4) nicht der Vater der Antragstellerinnen sei. Selbst nach der früheren Rspr. des BGH wäre es jedenfalls zweifelhaft gewesen, ob ein Anwalt beizuordnen sei, da der BGH dies nur für Fälle bejaht habe, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgten. Die Mutter der Antragstellerinnen habe hier nur vortragen müssen, dass der Beteiligte zu 4) nicht als Vater in Betracht komme, weil sie mit ihm während der Empfängniszeit keinen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Dass ihr dieser Vortrag, notfalls mit Hilfe der Rechtsantragsstelle, nicht auch ohne anwaltlichen Beistand möglich gewesen wäre, sei nicht ersichtlich. Insbesondere hätten die Antragstellerinnen nichts dazu erklärt, dass die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten i...