ZPO § 115; SGB XII § 82
Leitsatz
Aus Rechtsgründen ist es nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe die berufsbedingten Fahrtkosten in Anlehnung an § 3 Abs. 6 Nr. 2a der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII ermittelt werden. Hiernach können – sofern keine öffentlichen Verkehrsmittel verfügbar sind – pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 5,20 EUR abgesetzt werden.
BGH, Beschl. v. 13.6.2012 – XII ZB 658/11
1 Sachverhalt
Das FamG hat dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihm dabei die Zahlung monatlicher Raten von 95,00 EUR aufgegeben. Von den zu berücksichtigenden Einkünften hat es auch berufsbedingte Fahrtkosten für eine einfache Strecke von 24 km i.H.v. (24 x 5,20 EUR =) 125,00 EUR in Abzug gebracht. Durch Abzug weiterer Positionen hat es ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 262,00 EUR ermittelt.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das OLG den Beschluss teilweise geändert, zusätzlich den pauschalen Mehrbedarf gem. § 30 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII für die vom Antragsteller allein betreuten Kinder i.H.v. 86,16 EUR berücksichtigt und so ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 175,00 EUR ermittelt. Im Hinblick darauf hat es die monatlich zu zahlenden Raten auf 60,00 EUR herabgesetzt.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde und verfolgt sein Beschwerdeziel, Fahrtkosten i.H.v. 316,80 EUR (22 Arbeitstage x 48 km a 0,30 EUR) zu berücksichtigen, weiter.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG aufgrund der Zulassung des OLG statthaft. Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rspr. (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (Senatsbeschl. v. 4.8.2004 – XII ZA 6/04, FamRZ 2004, 1633 [AGS 2004, 397]; BGH, Beschl. v. 21.11.2002 – V ZB 40/02, FamRZ 2003, 671). Das ist hier indessen der Fall, da der Antragsteller geltend macht, die Voraussetzungen ratenfreier Verfahrenskostenhilfe lägen vor.
Gem. § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG sind in Ehesachen wie der vorliegenden die Vorschriften des FamFG über die Verfahrenskostenhilfe (§§ 76 bis 78 FamFG) nicht anzuwenden. Stattdessen gelten gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO, mithin auch die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe, welche allerdings nach § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG als Verfahrenskostenhilfe zu bezeichnen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
a) Das OLG hat ausgeführt, dass die Fahrtkosten für die täglichen Fahrten des Antragstellers zur Arbeit über 24 Entfernungskilometer entsprechend § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII zu berechnen seien und sich so ein Betrag von gerundet 125 EUR (24 x 5,20 EUR) ergebe.
b) Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand
Allerdings ist die Frage umstritten, in welchem Umfang berufsbedingte Fahrtkosten das für die Verfahrenskostenhilfe einzusetzende Einkommen eines Beteiligten gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII vermindern, sofern die Inanspruchnahme kostengünstigerer öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Teile der Rspr. legen die unterhaltsrechtlichen Leitlinien zugrunde, nach denen überwiegend 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer abgezogen werden, andere Meinungen greifen auf § 3 Nr. 6 der Durchführungsverordnung (im Folgenden: DVO) zu § 82 SGB XII zurück, nach der 5,20 EUR im Monat für den Entfernungskilometer, begrenzt auf 40 Kilometer, abgezogen werden.
aa) Zur Begründung der Anwendung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien wird ausgeführt, § 115 Abs. 1 ZPO nehme lediglich Bezug auf § 82 SGB XII. Auf § 96 SGB XII, der die Ermächtigung zum Erlass der Verordnung enthält, werde in der ZPO nicht verwiesen (OLG Dresden FamRZ 2011, 911, 912; OLG Jena FamRZ 2009, 1848, 1849 [= AGS 2009, 549]; OLG Karlsruhe [5. Familiensenat] FamRZ 2009, 1424 [= AGS 2009, 549]; Musielak/Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 115 Rn 11). Zudem habe der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen, die Gerichte an das abweichend strukturierte Sozialhilferecht zu binden (vgl. BT-Drucks 12/6963, S. 12). Die DVO sei insoweit nicht anwendbar (OLG Dresden FamRZ 2011, 911, 912; OLG Celle [12. Zivilsenat – Familiensenat] FamRZ 2010, 54, 55).
Die Verfahrenskostenhilfe sei zwar ein Teil der Sozialhilfe, unterscheide sich jedoch wesentlich von dieser. Bei der Gewährung von Sozialleistungen würden staatliche Leistungen häufig über einen längeren Zeitraum gezahlt. Dagegen ziele die Verfahrenskostenhilfe immer nur auf eine "punktuelle" Lebenssituation ab, nämlich die Finanzierung eines Rechtsstreites. Dann aber fehle es bei der Bemessung der Freibeträge für die Prozesskostenhilfe viel eher an einer inneren ...