RVG VV Nr. 3104
Leitsatz
Führt der bereits mit der Einreichung der Klage beauftragte Anwalt noch ein Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Haftpflichtversicherers zur Vermeidung oder Erledigung des Klageverfahrens, entsteht hierfür eine 1,2-Terminsgebühr.
KG, Beschl. v. 16.7.2012 – 2 W 106/11
1 Sachverhalt
Die Klägerin nahm die beklagte Haftpflichtversicherung auf Zahlung aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der vorgerichtlich beauftragte Rechtsanwalt des Klägers hatte mit Schreiben v. 24.12.2009 die Schadensersatzforderungen angemeldet. Die Beklagte hatte unter dem 11.1.2010 mitgeteilt, dass sie eine Fahrzeuggegenüberstellung in Auftrag gegeben habe. Am 2.2.2010 reichte die Klägerin schließlich Klage beim LG ein. Am 5.2.2010 rief der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Sachbearbeiter der Beklagten an und forderte ihn auf, den Betrag zu zahlen, um einen unnötigen Rechtsstreit zu vermeiden. Per Telefaxschreiben vom selben Tag schrieb der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte: "In vorgenannter Angelegenheit nehme ich Bezug auf unser heutiges Telefonat und übersende Ihnen wunschgemäß die bereits erhobene Klage in Kopie. Ich fordere Sie nochmals höflich auf, die Ansprüche meines Mandanten vollständig zu begleichen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden."
Mit Schreiben v. 9.2.2010 antwortete die Beklagte wie folgt: "Ihr Schreiben v. 5.2.2010 liegt uns vor. Wir teilen mit, dass wir die Haftung dem Grunde nach nicht bestreiten. Es gibt aber Differenzen zwischen den Parteien, die die Schadenshöhe betreffen …"
Sukzessive regulierte die Beklagte die Ansprüche der Klägerin, so dass nach vollständiger Erledigung die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO der Beklagten auferlegt wurden.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Klägerin nunmehr u.a. die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr, die sie mit dem mit dem Sachbearbeiter geführten Telefonat begründete. Es habe sich um ein Gespräch zur Erledigung des Rechtsstreits gehandelt. Das LG hat antragsgemäß festgesetzt. Mit der Beschwerde macht die Beklagte geltend, dass sich der Sachbearbeiter auf ein Gespräch zur Erledigung des Rechtsstreits mit dem Klägervertreter nicht eingelassen habe.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Nach Vorbem. Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV kann ein Rechtsanwalt eine 1,2-Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts verdienen. Dies setzt voraus, dass nicht nur eine Besprechung stattgefunden hat, sondern dass diese auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet war. Für den Anfall der außergerichtlichen Terminsgebühr sind keine hohen Anforderungen zu stellen.
Die Gebühr entsteht bereits dann, wenn sich der Gegner auf das Gespräch – wobei ein fernmündlicher Kontakt genügt – einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge deren Prüfung zusagt. Den Erfolg einer verbindlichen Einigung setzt der Gebührentatbestand nicht voraus (BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZB 9/06, NJW RR 2007, 286 [= AGS 2007, 129]).
Einen derartigen Kontakt hat es in Bezug auf das vorliegende Verfahren tatsächlich gegeben. Ein entsprechender Vortrag der Klägerin, der hinreichend glaubhaft gemacht ist (§§ 104 Abs. 2, S. 2, 294 ZPO), folgt bereits unmittelbar aus der Prozessakte, denn die Klägerin hat durch die Vorlage des dem Telefongespräch folgenden Schriftwechsels hinreichend dokumentiert, dass das am 5.2. zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und einem Vertreter der Beklagten geführte Telefongespräch auf die Erledigung des gerade anhängig gewordenen Rechtsstreits gerichtet war und die Beklagte sich auf dieses Bemühen auch in der Sache eingelassen hat, wie sich unschwer aus ihrem Antwortschreiben v. 9.2.2010 ergibt, in dem sie ihre Haftung dem Grunde nach anerkannt hat und nur noch über die Höhe der Forderung verhandeln wollte. Dabei handelt es sich nicht nur um ein allgemeines Gespräch über die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung. Gegenstand der Besprechung war vielmehr ersichtlich die konkrete Frage, ob der Rechtsstreit durch die Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes ohne Beteiligung des Gerichts beigelegt werden könne (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – I ZB 14/09, AGS 2010, 164), was im Übrigen in der Folgezeit zumindest hinsichtlich der eingeklagten Hauptforderung auch zum Erfolg führte.