RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
- Eine Einigungsgebühr entsteht im Versorgungsausgleichsverfahren nicht nur dann, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich insgesamt entbehrlich wird, sondern bereits dann, wenn sich die Beteiligten über eine wesentliche Grundlage für die Durchführung des Versorgungsausgleichs – hier: Berechnung der Startgutschriften – endgültig einigen.
- Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr richtet sich in diesem Fall nach dem Wert des Teilvergleichs und ist in der Regel niedriger als der Gegenstandswert der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr.
OLG Hamm, Beschl. v. 2.7.2012 – 6 WF 127/12
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin des Scheidungsverfahrens hatte in der Ehezeit Anwartschaften bei der VBL erworben. Im Termin vor dem FamG schlossen die Parteien die folgende Vereinbarung zum Versorgungsausgleich:
"Die Eheleute sind sich darüber einig, dass die Rspr. des BGH v. 14.11.207 – IV ZR 74/06 – unberücksichtigt bleibt und der Versorgungsausgleich mit den von der VBL in diesem Verfahren mitgeteilten Werten durchgeführt wird."
Daraufhin hat das FamG die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Der Verfahrenswert wurde auf 16.100,00 EUR festgesetzt (Scheidung 10.770,00 EUR/Versorgungsausgleich 5.385,00 EUR). Der Verfahrenswert für die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich wurde auf 5.385,00 EUR festgesetzt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass sich die der Antragstellerin wie auch dem Antragsgegner bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Vergleich zum Versorgungsausgleich erstrecke.
Daraufhin hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt, ihre Gebühren festzusetzen, u.a. eine Einigungsgebühr aus dem Wert des Versorgungsausgleichs.
Die angemeldete Einigungsgebühr hat der Rechtspfleger unter Hinweis auf die Stellungnahme der Landeskasse abgesetzt mit der Begründung, eine derartige Gebühr falle zum Versorgungsausgleich nur an, wenn die beteiligten Eheleute eine vollumfängliche endgültige Regelung über den gesamten Versorgungsausgleich träfen und dem Gericht somit eine Sachentscheidung ersparten.
Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat der Richter abgeholfen. Eine Einigungsgebühr sei entstanden, da durch die Vereinbarung eine Rechtsunsicherheit über den Versorgungsausgleich endgültig beseitigt worden sei. Bereits dieser "Zwischenvergleich" löse eine Einigungsgebühr aus, weil ohne diese Einigung eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht hätte erfolgen können.
Dagegen wendet sich die Beschwerde der Landeskasse, mit der beantragt wird, die Einigungsgebühr wieder abzusetzen.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV entstanden ist. Allerdings ist abweichend von einem niedrigeren Verfahrenswert auszugehen.
1. Nach Nrn. 1003, 1000 VV entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dabei ist der Begriff des Rechtsverhältnisses im weitesten Sinne zu verstehen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl. 2012, Nr. 1000 VV Rn 97). Im Gegensatz zu § 23 BRAGO a.F. wird nicht mehr ein gegenseitiges Nachgeben i.S.d. § 779 BGB gefordert, sondern durch diese Gebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honoriert und dadurch ein Anreiz geschaffen werden, das Verfahren durch eine Einigung zu beenden (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 522).
Allgemein anerkannt ist, dass bereits eine Zwischeneinigung der Parteien eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV auslösen kann und also nicht erforderlich ist, dass die Parteien sich über den gesamten Streitstoff einigen (OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 522; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl. 2012, Nr. 1000 VV Rn 150 ff.; Hartmann, KostG, 42. Aufl. 2012, Nr. 1000 VV Rn 56; Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl. 2004, Nr. 1000 VV Rn 101). Entscheidend ist stets, ob durch die Vereinbarung der Parteien eine endgültige oder wenigstens praktisch dauerhafte Regelung auch nur über einen Teil des Verfahrensgegenstandes getroffen wird (OLG Köln FamRZ 2009, 715 [= AGS 2009, 383]; OLG Hamm JurBüro 2002, 27; Hartmann, KostG, 42. Aufl. 2012, Nr. 1000 VV Rn 56). Dabei ist ergänzend auch auf den Sinn und Zweck der Einigungsgebühr abzustellen. Die zusätzliche Gebühr honoriert, dass der Rechtsanwalt mit der Einigung eine besondere Verantwortung übernimmt und er sein Haftungsrisiko erhöht. Die Entscheidung wird nicht dem Gericht überlassen, sondern er entscheidet selbst. Darüber hinaus dient die Einigungsgebühr der Entlastung des Gerichts und der Sicherung des Rechtsfriedens (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl. 2012, Nr. 1000 VV Rn 152).
Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Einigungsgebühr entstanden. Das AG verweist zutreffend darauf, dass die Einigung der Eheleute eine Entscheidung über den Versorgun...