RVG § 48 Abs. 1; RVG VV Nrn. 3101, 3104

Leitsatz

Soweit durch einen Mehrvergleich erhöhte Verfahrens- und Terminsgebühren anfallen, werden diese Mehrkosten durch die für den Abschluss des Vergleichs zuvor bewilligte Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht erfasst; es sei denn, der Bewilligungsbeschluss erstreckt sich ausdrücklich auf diese Kosten.

OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2012 – I-25 W 23/12

1 Sachverhalt

In einem Mietprozess erhoben die klagenden Mieter, die der Beteiligte zu 1) vertrat, Klage auf Feststellung bestimmter streitiger Fragen des Mietverhältnisses. Ihnen wurde unter Beiordnung des Beteiligten zu 1) Prozesskostenhilfe bewilligt. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien über die Streitpunkte einen Prozessvergleich, darüber hinaus verpflichteten sich die Kläger zur Räumung des Mietobjekts. Ein Räumungsanspruch war nicht Gegenstand der Feststellungsanträge oder einer Widerklage des beklagten Vermieters. Nach Vergleichsschluss verkündete die Amtsrichterin folgenden Beschluss: "Den Klägern wird auch Prozesskostenhilfe für den Abschluss des Vergleichs ... bewilligt." Der Streitwert für den Rechtsstreit wurde auf 4.000,00 EUR, der Gegenstandswert des Vergleichs auf 9.400,00 EUR festgesetzt.

Der Beteiligte zu 1) beantragte im Januar 2008 die Festsetzung seiner aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung, wobei er für die Verfahrens- und Terminsgebühr von einem Wert von 4.000,00 EUR und für die Einigungsgebühr von einem Wert von 9.400,00 EUR ausging. Dem Antrag wurde stattgegeben.

Später beantragte der Beteiligte zu 1) die Festsetzung auch der Terminsgebühr nach dem Wert von 9.400,00 EUR sowie einer Differenzverfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den Antrag wegen Verwirkung zurückgewiesen. Diesen Beschluss hat der Richter beim AG auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1) aufgehoben und die Urkundsbeamtin zur Neuentscheidung verpflichtet.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das LG den Beschluss des Richters abgeändert und die Erinnerung zurückgewiesen. Es hat die Frage der Verwirkung offen gelassen, aber angenommen, dass die geltend gemachten Mehrgebühren von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht umfasst seien.

Die zugelassene weitere Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Zu Recht hat das LG die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Mehrgebühren verneint.

1. Nicht von Bedeutung ist im vorliegenden Streit die Frage, ob die angemeldeten Gebühren angefallen sind. Es geht um den Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1) gegen die Landeskasse aufgrund der bewilligten Prozesskostenhilfe. Gem. § 48 Abs. 1 RVG kommt es zunächst allein darauf an, ob die geltend gemachten Gebühren von dem Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfasst sind. Da dies nicht der Fall ist, kommt es auf das Entstehen der Gebühr nicht an.

2. Die Frage, ob bei einer wie im Streitfall formulierten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich die erhöhte Terminsgebühr sowie die Differenzverfahrensgebühr von der Bewilligung umfasst sind, ist streitig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführliche Darstellung des Streitstandes im Beschluss des OLG Bamberg v. 21.3.2011 – 4 W 42/10, NJOZ 2011, 1855, 1857, Bezug. Diese ist nur insoweit zu ergänzen, dass sich das OLG Bamberg in der genannten Entscheidung sowie das OLG Celle (NJW 2011, 1296 [= AGS 2011, 551]) der Auffassung angeschlossen haben, dass die hier streitigen Mehrgebühren nicht erstattungsfähig sind, während das OLG Nürnberg – allerdings gestützt auf den hier nicht einschlägigen § 48 Abs. 3 RVG – die Erstattungsfähigkeit bejaht.

3. Der Senat ist der Auffassung, dass die streitigen Mehrgebühren nicht von der "Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Vergleich" umfasst sind. Im Streitfall könnte schon die Frage gestellt werden, ob auch die höhere Einigungsgebühr umfasst ist, weil der Mehrvergleich im Bewilligungsbeschluss nicht erwähnt ist. Dies kann aber dahinstehen, weil diese Gebühr, da erstattet, nicht im Streit steht. Jedenfalls sind die Differenzverfahrensgebühr und die höhere Terminsgebühr nicht erfasst.

Dies ergibt eine Auslegung des Bewilligungsbeschlusses, der sich nach seinem Wortlaut auf den Vergleichsabschluss bezieht. Durch den Vergleichsabschluss entsteht aber nur die Einigungsgebühr. Für die Verfahrensgebühr wurde bereits zuvor Prozesskostenhilfe ("für die Klage") bewilligt. Die erhöhte Terminsgebühr ist nicht durch den Vergleichsschluss entstanden, sondern schon dadurch, dass im Termin Verhandlungen über die nicht rechtshängigen Sachen geführt wurden (Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV); eines Vergleichsschlusses bedurfte es hierzu nicht. Es wäre damit zur Erstattungsfähigkeit erforderlich gewesen, wenn es gewollt gewesen wäre, beide erhöhte Gebühren im Bewilligungsbeschuss zu erwähnen.

Die Auslegung nach dem vom Gericht mutmaßlich Gewollten ergibt kein anderes Ergebnis. Zunächst muss konstatiert werden, dass den meisten der nicht mit Kostenbeschwerden befassten Richter die hier maßgeblichen gebüh...

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