RVG § 48

Leitsatz

Ein Gebührenanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse setzt voraus, dass der Rechtsanwalt während seiner Beiordnung anwaltlich tätig geworden ist; dass der Gebührenanspruch während der Beiordnung entsteht (widerruflicher Vergleich vor Beiordnung, Ablauf der Widerrufsfrist nach Beiordnung genügt nicht).

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.6.2012 – 17 Ta (Kost) 6073/12

1 Aus den Gründen

Das ArbG hat der Erinnerung der Beschwerdeführer zu Recht nicht abgeholfen. Die Beschwerdeführer haben gegen die Landeskasse keine Gebührenansprüche; der Festsetzungsantrag wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

a) Der gegen die Landeskasse gerichtete Gebührenanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem Beschluss, durch den Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, § 48 Abs. 1 RVG. In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass nur Handlungen des Rechtsanwalts, die während seiner Beiordnung vorgenommen wurden, einen Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse begründen können (vgl. LAG Nürnberg, Beschl. v. 28.1.2011 – 7 Ta 96/10, JurBüro 2011, 377; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl. 2010, § 48 Rn 103).

b) Im vorliegenden Fall wurde durch Beschl. v. 8.8.2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts M.H. mit Wirkung ab 24.5.2011 bewilligt. Während dieser Beiordnung sind anwaltliche Tätigkeiten der Beschwerdeführer nicht mehr erfolgt, so dass auch Gebührenansprüche gegen die Landeskasse nicht entstehen konnten. Soweit die Beschwerdeführer hiergegen einwenden, die anwaltliche Einigungsgebühr sei erst mit Ablauf der Widerrufsfrist am 5.8.2011 und damit nach dem Beiordnungszeitpunkt entstanden (Nr. 1000 Abs. 3 VV), trifft dies zwar zu, rechtfertigt jedoch kein anderes Ergebnis. Es genügt für den Gebührenanspruch gegen die Landeskasse nicht, dass der Gebührentatbestand während der Beiordnung des Rechtsanwalts entsteht, sondern es muss auch die anwaltliche Tätigkeit, die den Gebührenanspruch begründet, während der Beiordnung vorgenommen worden sein; hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

2 Anmerkung

Die Entscheidung ist unzutreffend.

Wird ein widerruflicher Vergleich geschlossen, ist damit das Verfahren noch nicht beendet. Es endet erst mit Ablauf der Widerrufsfrist, sofern kein Widerruf erfolgt.

Wird ein Anwalt in dieser Phase bestellt, verdient er also zunächst einmal die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV, die sich allerdings gegebenenfalls nach Nr. 3101 VV auf 0,8 ermäßigt, wenn kein weiterer Schriftsatz eingereicht wird.

Darüber hinaus entsteht die Einigungsgebühr, da der Anwalt bis zum Ablauf der Widerrufsfrist prüfen muss, ob der Vergleich Bestand haben soll oder ob er widerrufen wird. Das Abraten vom Widerruf ist Mitwirkung bei Abschluss einer Einigung.[1]

Es ist nicht etwa so, dass der Anwalt "nichts tut". Er muss den Vergleich prüfen und mit dem Mandanten besprechen und ihn über die Möglichkeit und Auswirkungen des Widerrufs belehren. Dass sich diese Tätigkeit naturgemäß nicht vor Gericht, sondern in der Kanzlei des Anwalts abspielt, ist insoweit unerheblich.

Würde man der Auffassung des LAG Berlin folgen, dann müsste der Anwalt nach seiner Beiordnung den Vergleich zunächst widerrufen, um ihn später dann erneut abzuschließen.

Dies würde nicht nur für sämtliche Beteiligten unnötigen Zeit- und Arbeitsaufwand bedeuten; es würde auch die Staatskasse zusätzlich belasten, weil dann auf jeden Fall die volle 1,3-Verfahrensgebühr anfiele und darüber hinaus auch noch die Terminsgebühr.

Norbert Schneider

[1] AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, Nr. 1000 Rn 123.

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