RVG §§ 3 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 RVG VV Nrn. 3103, 3106

Leitsatz

  1. Wartezeiten und Vorhaltezeiten, wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Verhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und weder eigenständig vergütungspflichtig, noch stellen sie Besonderheiten dar, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen.
  2. Die nachträgliche Geltendmachung einer höheren Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens oder der nachträgliche Ansatz eines höheren Satzrahmens ist also auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren immer dann nicht möglich, wenn es darum geht, eine ursprünglich von dem Rechtsanwalt – gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG nach seinem Ermessen bestimmte – Gebühr zu erhöhen.

SG Berlin, Beschl. v. 2.8.2012 – S 180 SF 10908/11 E

1 Sachverhalt

In dem dem Kostenrechtsstreit zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren um die Anfechtung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides betreffend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II – i.H.v. 329,19 EUR für einen Zeitraum von einem Monat – war die Terminsstunde auf 11.30 Uhr angesetzt. Der Termin zur mündlichen Verhandlung begann tatsächlich um 12.26 Uhr und endete um 12.43 Uhr. Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag machte der Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer eine Vergütung wie folgt geltend: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV: 170,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106 VV: 250,00 EUR, Auslagenpauschale: Nr. 7002 VV: 20,00 EUR, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV: 83,60 EUR, insgesamt: 523,60 EUR.

Der Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer begründete seinen Ansatz u.a. damit, dass er ca. eine Stunde vor dem tatsächlichen Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung habe warten müssen. Es ergäbe sich daher eine Terminsdauer von ca. eineinviertel Stunden, wobei das Überschreiten der Mittelgebühr nach Nr. 3106 VV nicht unbillig sei. Die Urkundsbeamtin hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Aufgrund des von dem Beklagten des Hauptsacherechtsstreits abgegebenen Kostengrundanerkenntnisses forderte sie im Wege des Anspruchsüberganges auf die Landeskasse einen Betrag von 523,60 EUR von dem Beklagten zurück, der gegen diese gerichtliche Kostenrechung im Wege der Erinnerung vorging. Auf die Erinnerung hat die 164. Kammer des SG mit Beschl. v. 27.7.2011 zum Verfahren S 164 SF 3105/11 E die gerichtliche Kostenrechnung geändert und den Erstattungsbetrag auf 378,42 EUR (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV: 170,00 EUR; Terminsgebühr Nr. 3106 VV: 128,00 EUR; Auslagenpauschale Nr. 7002 VV: 20,00 EUR; Umsatzsteuer Nr. 7008 VV: 60,42 EUR; insgesamt: 378,42 EUR) vermindert. Zur Begründung hat die 164. Kammer u.a. ausgeführt, beim Umfang der Tätigkeit im Rahmen der Bestimmung der angemessenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV sei auch zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte eine knappe Stunde habe auf den Verhandlungsbeginn warten müssen. Unter Darlegung weiterer Erwägungen hat die 164. Kammer angenommen, dass der Ansatz der Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV nicht unbillig ist. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV ist jedoch merklich unterhalb der Mittelgebühr in Ansatz zu bringen, da der Termin letztlich nur 17 Minuten gedauert habe und mit der Gebühr die Vertretung in einem Termin abgegolten werde.

Der Erinnerungsführer begehrt nunmehr die Abänderung der durch die Urkundsbeamtin vorgenommenen Vergütungsfestsetzung. Er verweist vollständig auf den bereits zitierten Beschluss der 164. Kammer des Gerichts.

Der Erinnerungsgegner wendet sich gegen die Erinnerung und macht mit seiner Anschlusserinnerung nunmehr eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV i.H.v. 300,00 EUR unter Festhalten an einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV i.H.v. 250,00 EUR geltend. Zur Begründung trägt er vor, er habe nicht zu seinem Vergnügen auf dem Gerichtsflur gewartet. Darüber hinaus seien mit der Terminsgebühr alle Tätigkeiten des Rechtsanwaltes abzugelten, die mit dem Termin in einem Zusammenhang stünden, insbesondere auch die An- und Abfahrt sowie die Wartezeit im Gericht. Soweit das Gericht in seiner ständigen Rspr. die Auffassung vertrete, dass mit der Terminsgebühr Wartezeiten nicht abzugelten seien, begehre er mit der Anschlusserinnerung die Abänderung der Vergütungsfestsetzung dahingehend, dass nunmehr eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV begehrt werde. Eine Wartezeit auf den Verhandlungsbeginn von 1,25 Stunden sei weit überdurchschnittlich, was den Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit im Verfahren erheblich ausweite. Allerdings halte er diese Betrachtungsweise grundsätzlich für falsch, da die Wartezeit im Rahmen der Terminsgebühr abzugelten sei. Nur für den Fall, dass das Gericht die Terminsgebühr wegen der tatsächlichen Dauer des Termins kürzen wolle, sei es konsequent, die Verfahrensgebühr zu erhöhen.

Der Erinnerungsführer und Anschlusserinnerungsgegner verweist auf den Ermessensverbrauch bei der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr. An das einmal ausgeübte Ermessen sei der Rechtsanwalt gebunden.

2 Aus den Gründen

Die Erinn...

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