RVG § 21 Abs. 1
Leitsatz
- Hebt ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines Gerichts auf und verweist die Sache an dieses zurück, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug.
- Eine Rechtsbeschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss setzt keine Mindestbeschwer voraus.
BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX ZB 16/11
1 Sachverhalt
Das AG hatte den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 491,27 EUR zuzüglich Zinsen hieraus zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge des Beklagten hatte das AG zurückgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Beklagten hob der Bayerische VerfGH das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Nach erneuter Verhandlung verurteilte das AG den Beklagten, an die Klägerin 147,80 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Zugleich stellte es fest, dass sich die Hauptsache in Höhe von 83,26 EUR nebst Zinsen hieraus erledigt hatte, und wies die Klage im Übrigen ab. Nach dieser Entscheidung haben die Klägerin 59,77 v.H. und der Beklagte 40,23 v.H. der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Beklagte unter Hinweis auf § 21 RVG unter anderem eine weitere 1,2-Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale für das Verfahren nach der Zurückverweisung beantragt, welche das AG neben anderen Kosten nicht berücksichtigt hat. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Beklagten hat der Rechtspfleger in Höhe von 158,39 EUR abgeholfen und die Sache im Übrigen dem Beschwerdegericht vorgelegt. Von den dort durch den Beklagten weiterverfolgten quotenbezogenen Kosten in Höhe von 218,16 EUR hat das Beschwerdegericht lediglich weitere Terminwahrnehmungskosten in Höhe von 14,94 EUR anerkannt; im Übrigen ist die Beschwerde erfolglos geblieben. Mit seiner allein insoweit zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beklagte die Aufnahme der weiteren Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale in das Kostenfestsetzungsverfahren.
Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 575 ZPO), wobei insbesondere ein Mindestbeschwerdewert wie für die sofortige Beschwerde in § 567 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich ist (BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZB 41/04, NJW-RR 2005, 939), und auch begründet.
1. Das LG hat, soweit noch von Interesse, ausgeführt: Eine weitere Terminsgebühr mit einer weiteren Auslagenpauschale sei nicht anzuerkennen, weil § 21 RVG die Gebührenfrage nur bei einer Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht regele. Die Verfassungsbeschwerde sei kein ordentliches Rechtsmittel. Bei der Entscheidung über die Beschwerde werde nicht über die anhängige Sache an sich verhandelt und entschieden. Auch trete mit ihrer Erhebung keine Hemmung der Rechtskraft der fachgerichtlichen Entscheidung ein. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts sei vielmehr mit der Regelung des § 321a ZPO vergleichbar, nach welcher das Verfahren fortzusetzen sei und die Gebühren insgesamt nur einmal entstünden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht nach § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug. Die Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines anderen Gerichts aufhebt und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverweist (vgl. OVG Lüneburg AnwBl 1966, 137 f. zu § 15 BRAGO; Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 21 RVG Rn 3; Schneider/Wolf, RVG, 6. Aufl., Vor §§ 20, 21 Rn 47 und § 21 Rn 4; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 21 Rn 3; Jungbauer, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 5. Aufl., § 21 Rn 4). Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung.
aa) Zwar stehen die Verfassungsgerichte des Bundes und der Länder, denen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit gerichtlicher Entscheidungen übertragen ist, außerhalb des förmlichen Instanzenzuges (vgl. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl., Rn 4). Stellen sie eine Verfassungsverletzung fest, wird die angefochtene Entscheidung jedoch ebenso wie bei einem ordentlichen Rechtsmittel aufgehoben und die Sache an das Vordergericht zurückverwiesen, damit der Prozess fortgesetzt und einer abschließenden Entscheidung zugeführt werden kann (vgl. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 2009, § 95 Rn 21 und 28). Im Umfang seines auf das Verfassungsrecht bezogenen Prüfungsmaßstabes nimmt daher auch das Verfassungsgericht gegenüber dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Funktion eines übergeordneten Gerichts wahr (vgl. OVG Lüneburg a.a.O.).
bb) Da § 21 Abs. 1 RVG die durch eine Zurückverweisung entstehende Mehrarbeit des Rechtsanwalts vergüten soll (BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – V ZB 46/03, NJW-RR 2004, 1294, 1295 zu § 15 Abs. 1 BRAGO; unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Vorläuferbestimmung des § 27 RAGebO) und das Ausgangsgericht bei Zurückverweisung durch ein Verfassungsgericht die Sache im Lichte der verfassungsrechtlichen Entscheidung ...