Wir Anwälte sollten inzwischen wissen, dass unsere Gebührenansprüche nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur von einer einwandfreien juristischen Tätigkeit, sondern schon im Vorfeld von der ordnungsgemäßen Aufklärung der Mandanten über alle gebührenrechtlichen Details abhängen können. Das hat der BGH kürzlich in einer alltäglichen Fallkonstellation erneut entschieden: "Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Anwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen (BGH, Urt. v. 19.9.2013 – IX ZR 322/12 – LG Köln, AG Gummersbach)." Tut er es nicht, kriegt er nichts!
Die auf Gebühren klagende Rechtsanwältin war zu einer anwaltlichen Beratung in einer Scheidungssache von beiden Eheleuten aufgesucht worden. Den Ehemann hatte sie bereits zuvor in anderen Angelegenheiten vertreten. Die Eheleute hatten von Beginn an voneinander abweichende Vorstellungen über die Modalitäten ihrer Trennung und Scheidung, weshalb die Ehefrau in der Folge eigene Anwälte beauftragte. Die zunächst weiterhin für den Ehemann tätige Anwältin rechnete ihre Leistungen schließlich in Höhe eines Betrags von 1.811,36 EUR gegenüber dem Ehemann ab, der nicht zahlte. Er beauftragte ebenfalls neue Anwälte mit der Wahrnehmung seiner familienrechtlichen Interessen. AG Gummersbach und LG Köln hatten entschieden, dass der Anwältin kein Honorar zustehe, weil sie entgegen § 43a Abs. 4 BRAO beide Eheleute beraten habe, was nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags geführt habe. Der BGH hat die Entscheidungen bestätigt, allerdings entschieden, dass es auf die Frage, ob der anlässlich des Beratungsgesprächs zustande gekommene Anwaltsvertrag wegen eines sich aus § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA ergebenden Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, nach § 134 BGB unwirksam ist, gar nicht ankomme. Auch bei Wirksamkeit des Anwaltsvertrags hätte der Anwältin aus Sicht des BGH kein Zahlungsanspruch gegenüber dem Ehemann zugestanden. Zugunsten der Rechtsanwältin hatte der BGH unterstellt, dass eine gemeinsame Beratung die Scheidung anstrebender Eheleute grundsätzlich zulässig sei, auch wenn bereits dies im Einzelfall als problematisch anzusehen sein dürfte. Die Rechtsanwältin konnte aus Sicht des BGH die Gebühren deshalb nicht beanspruchen, weil dem Ehemann in Höhe der Gebührenforderung aus dem Anwaltsvertrag ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Anwältin wegen der Verletzung ihrer Aufklärungspflicht gegenüber beiden Eheleuten zustehe. Sie hätte beide vor Beginn ihrer Beratungstätigkeit insbesondere darauf hinweisen müssen,
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dass ein Anwalt im Grundsatz wegen der Vermeidung einer Interessenkollision nur einen von ihnen beraten kann, |
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dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf und |
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dass sie jedenfalls dann, wenn die künftige gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute als unüberwindbar erscheinen, sie das Mandat gegenüber beiden niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Anwälte beauftragen müssen, sodass gleich Kosten für drei Anwälte entstehen. Weiter hätte sie die Eheleute darüber belehren müssen, |
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dass sie möglicherweise auch dann, wenn die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, einen der Eheleute im Scheidungsverfahren zur Stellung des Scheidungsantrags nicht vertreten darf, wodurch die Mandanten auch im Fall der einvernehmlichen Scheidung die Kosten für zwei Anwälte tragen müssen, weil diese Frage richterlich noch nicht geklärt ist. |
All diese Belehrungen hatte die Anwältin nicht erteilt. Nach einhelliger Auffassung in der Rspr. schuldet ein Rechtsanwalt seinem Mandanten umfassende Aufklärung über Umstände, die zu zusätzlichen Kosten führen können.
Infolge der unterlassenen Hinweise durch die Anwältin – so der BGH – ist dem Ehemann ein Schaden in Höhe ihrer Gebührenforderung entstanden, weil er einen neuen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragen musste und die Gebühren für ihn erneut anfielen. Die von der Anwältin erbrachte Leistung hatte für ihn demnach keinen Wert.
Die Entscheidung des BGH ist wegweisend und auch in keiner Weise zu beanstanden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Anwälte sich das Terrain für den Gebührenverlust allzu oft selbst ebnen. Es kann und sollte bei Auftragserteilung wie selbstverständlich klargestellt und dokumentiert werden, dass der Anwalt – auch wenn beide Eheleute am Beratungsgespräch teilnehmen – stets nur eine Seite vertritt und der Gebührenanspruch nur insoweit ausgelöst wird, weil es nicht widerstreitende Eheleute ohne gegenläufige Interessen faktisch gar nicht gibt.
Richtige Aufklärung und insbesondere deren Dokumentation sind vielleicht manchmal lästig, aber unabdingbar. Sie sichern nicht nur den anwaltlichen Gebührenanspruch, sondern sie sind ebenso effektive vertrauensbildende Maßnahme...