FamFG §§ 151 Nr. 1 u. 2, 158 Abs. 7
Leitsatz
Ist ein Verfahrensbeistand jeweils in einem Verfahren bestellt, das eine eigene Kindschaftssache i.S.v. § 151 FamFG betrifft (hier Nr. 1 und Nr. 2) und verbindet das Gericht diese Verfahren, dann erhält der Beistand die Vergütung gem. § 158 Abs. 7 FamFG – im Falle hinreichender Tätigkeiten in beiden Angelegenheiten – zweimal, weil es sich ungeachtet der formellen Verbindung um zwei "Verfahrensgegenstände" i.S.d. BGH-Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZB 456/11, NJW 2012, 3100, handelt (Aufgabe des Senatbeschl. v. 30.7.2012 – 11 WF 1138/12, NJW 2012, 3735, infolge des BGH-Beschl. v. 1.8.2012 – XII ZB 456/11, NJW 2012, 3100).
OLG München, Beschl. v. 22.2.2013 – 11 WF 250/13
1 Sachverhalt
Am 6.9.2012 hatte der Vater der beiden Kinder Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder beantragt; hierauf wurde das Verfahren 1 F 610/12 angelegt.
Am 12.9.2012 hatte die Mutter eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass sie berechtigt sei, die Kinder an jedem zweiten Wochenende von Freitag, 16.00 Uhr, bis Sonntag, 17.00 Uhr, zu sich zu nehmen; dieser Antrag führte zum Verfahren 1 F 629/12.
Am 21.9.2012 erließ das AG, in jedem der beiden Verfahren, einen Beschluss, wonach Frau … für beide Kinder zum Verfahrensbeistand bestellt wurde, stellte fest, diese übe ihr Amt berufsmäßig aus und übertrug in beiden Fällen zusätzliche Aufgaben i.S.d. § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG.
Mit einem weiteren Beschluss, ebenfalls v. 21.9.2012, verband das AG das Verfahren 1 F 629/12 zum Verfahren 1 F 610/12.
Der Verfahrensbeistand wurde in der Folgezeit, nämlich vom 25.9. bis zum 8.10.2012, sowohl hinsichtlich der Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts als auch im Hinblick auf die Umgangsregelung tätig, Im Termin trafen die Eltern eine Vereinbarung über den Aufenthalt der Kinder, ein dem gestellten Antrag entsprechendes Umgangsrecht der Mutter sowie über weitere Punkte.
Mit zwei gleichlautenden Schreiben berechnete Frau ... – sowohl für das Aktenzeichen 1 F 610/12 wie auch für 1 F 629/12 – eine Vergütung gem. § 158 Abs. 7 S. 2, 3 FamFG in Höhe von jeweils 1.100,00 EUR. Im Verfahren 1 F 610/12 setzte das AG diese Vergütung fest und zahlte diesen Betrag aus. In dem hinzuverbundenen Verfahren 1 F 629/12 hingegen lehnte die Rechtspflegerin nach Erholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors eine Festsetzung ab: Aufgrund der Verfahrensverbindung habe Frau ... dort – über die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses hinaus – keine Tätigkeit entfalten können. Der Bezirksrevisor verwies dabei unter anderem darauf, das Gericht sei ausweislich der Begründung des Verbindungsbeschlusses davon ausgegangen, es liege nur "ein" Sachverhalt vor.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbeistandes, in der Frau ... geltend macht, sie habe ihren Tätigkeitsbericht beiden Verfahren zugeordnet, sie sei in beiden tätig geworden.
Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, insbesondere weil angesichts des BGH-Beschlusses v. 1.8.2012 – XII ZB 456/11, NJW 2012, 3100, der vom Bezirksrevisor herangezogene Senatsbeschl. v. 30.7.2012 – 11 WF 1138/12 = NJW 2012, 3735, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann:
1. Anknüpfend an seine Entscheidungen vom 19.1.2011 – XII ZB 486/10, NJW 2011, 1451 sowie v. 17.11.2010 – XII ZB 478/10, NJW 2011, 455 hat der BGH in seinem bereits zitierten Beschl. v. 1.8.2012, a.a.O., ausdrücklich klargestellt, soweit der Verfahrensbeistand im Rahmen eines konkreten Verfahrens zu bestellen sei, sei damit nicht das Verfahren im förmlichen Sinne gemeint, sondern vielmehr der "Verfahrensgegenstand" (a.a.O.). Ein Verfahrensbeistand, der sowohl in einer Sorgerechts- als auch in einer Umgangsrechtsangelegenheit bestellt worden sei, habe auch dann Anspruch, für beide Kindschaftssachen vergütet zu werden, wenn das AG diese in nur einem Verfahren behandele; die Vergütung des Verfahrensbeistandes könne in diesem Falle nicht auf ein Verfahren beschränkt werden, weil ihr Umfang nicht von der Aktenführung abhängig sein dürfe (BGH, a.a.O.). Es komme mithin für das Entstehen eines Vergütungsanspruches nicht darauf an, ob etwa die Sorgerechts- und die Umgangsrechtsangelegenheit Gegenstand zweier formal getrennter Verfahren sei (a.a.O.); Anrechnungsvorschriften lägen nicht vor.
Zur Begründung führt der BGH an, ungeachtet der Problematik zusätzlicher fiskalischer Belastungen für die Bundesländer entspreche es dem Sinn und Zweck des § 158 FamFG, minderjährigen Kindern einen effektiven Verfahrensbeistand zur Seite zu stellen, weshalb diese Bestimmung nicht restriktiv ausgelegt werden dürfe (ausführlich Beschl. v. 15.9.2010, a.a.O., bzw. v. 19.1.2011, a.a.O.).
2. Stellt man demgemäß maßgeblich auf den Verfahrensgegenstand – und nicht das Verfahren im förmlichen Sinne – ab, muss hier vom zweimaligen Anfall der Vergütungspauschale (jeweils für zwei Kinder) ausgegangen werden und die Beschwerde Erfolg haben.
a) Zwar wurde in dem vom BGH mit Beschl. v. 1.8.2012 entschiedenen Fall die Erweiterung ...