RVG VV Nrn. 4124, 3500 ff.
Leitsatz
Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren Nr. 4124 VV gilt auch die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem Verfahrens über die Beschwerde gegen die landgerichtliche Kosten- und Auslagenentscheidung ab. Eine Gebühr Nr. 3500 VV fällt nicht an.
AG Koblenz, Beschl. v. 14.6.2012 – 2050 Js 56726/07 – 26 Ls
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte für den Angeklagten erfolgreich eine Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des LG eingelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg, sodass die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Landeskasse auferlegt wurden.
Daraufhin meldete der Angeklagte eine Verfahrengebühr gem. Nr. 3500 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer an. Das AG hat den Festsetzungsantrag zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Eine Gebühr gem. Nr. 3500 VV ist vorliegend jedoch nicht entstanden. Allenfalls kann die Tätigkeit in diesem Beschwerdeverfahren zu einer höheren Einstufung der in dem Strafverfahren für den Verteidiger entstandenen Gebühr nach Nr. 4124 VV führen.
Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors verwiesen. Es handelte sich im vorliegenden Fall um eine Beschwerde gegen die erlassene Kostengrundentscheidung, weshalb die Ausführungen des Verteidigers betreffend die Beschwerde gegen einen Kostenansatz bzw. einen Kostenfestsetzungsbeschluss hier nicht relevant sind.
Der Antrag vom 14.3.2012 – hinsichtlich der Kosten betreffend das Beschwerdeverfahren – war daher zurückzuweisen; zumal die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV bereits im weiteren Antrag vom 14.3.2012 betreffend die notwendigen Auslagen des Berufungsverfahrens vollständig in Ansatz gebracht wurde.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend und wird durch die durch das 2. KostRMoG in § 19 RVG neu eingefügte Nr. 10a jetzt nochmals ausdrücklich klargestellt:
§ 19 Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen
(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist. Hierzu gehören insbesondere
1. […]
10a. Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind;
11. […]
Im Gegensatz zu den Beschwerden nach Teil 3 VV (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG) gehören Beschwerdeverfahren in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 VV, zum Rechtszug gehören. Sie lösen also weder eine gesonderte Angelegenheit noch gesonderte Gebühren aus, sofern nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind.
Die Änderung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Änderung des § 17 Nr. 1 RVG. Damit soll sichergestellt werden, dass Vorbem. 4.1 Abs. 2, 5.1 Abs. 1 und Vorbem. 6.2 Abs. 1 VV trotz der neuen § 17 Nr. 1 RVG wie bisher so ausgelegt werden, dass für Beschwerden gegen Neben- und Zwischenentscheidungen, mit Ausnahme der in Vorbem. 4 Abs. 5, Vorbem. 5 Abs. 4 und Vorbem. 6.2 Abs. 3 VV genannten Verfahren, keine besonderen Gebühren anfallen, es sei denn, es ist im Gesetz etwas anderes bestimmt.
Aus dem Grundsatz des § 17 Nr. 1 RVG einerseits und im Umkehrschluss zu § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG andererseits folgt jetzt, dass der Anwalt in den Fällen, in denen Teil 4 VV besondere Gebühren für Beschwerden vorsieht, für ihn nicht nur gesonderte Gebühren anfallen, sondern das Beschwerdeverfahren auch eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG darstellt. Dies betrifft
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die Beschwerde nach § 372 StPO in einem Wiederaufnahmeverfahren (Nr. 4139 VV); |
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Beschwerden in der Strafvollstreckung (Vorbem. 4.2 VV). Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung wurden diese im Umkehrschluss zu Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 2 VV nicht als gesonderte Angelegenheiten angesehen; nach der Neuregelung dürfte diese Auffassung nicht mehr vertretbar sein; |
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Beschwerdeverfahren als Einzeltätigkeiten (ausdrücklich geregelt in Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 2 VV); |
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Beschwerden nach § 406 Abs. 5 S. 2 StPO gegen das Absehen einer Entscheidung über Adhäsionsansprüche (Nr. 4145 VV); |
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Beschwerden gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung nach § 25 Abs. 1 S. 3 bis 5, § 13 StrRehaG (Nr. 4146 VV). |
Bedeutung hat diese Frage vor allem für die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV. Da es sich jetzt bei der Beschwerde um eine gesonderte Angelegenheit handelt, entsteht – im Gegensatz zum bisherigen Recht – auch eine gesonderte Postentgeltpauschale.
Norbert Schneider
AGS 10/2013, S. 459 - 460