ZPO § 123 GKG §§ 22, 19, 31 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Schließt eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, einen Vergleich mit vereinbarter Kostenaufhebung, ist die Staatskasse nicht entsprechend § 31 Abs. 3 S. 1 GKG gehindert die Haftung für die Gerichtskosten beim Gegner nach § 22 GKG geltend zu machen. Dieser wiederum kann die Hälfte hiervon gem. § 123 ZPO gegen die Prozesskostenhilfe erhaltende Partei geltend machen. Da zu dieser Fallgestaltung die Beschwerdegerichte keine einheitliche Meinung vertreten, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
OLG Naumburg, Beschl. v. 27.6.2013 – 10 W 25/13
1 Sachverhalt
Die Beklagte wendet sich im Wege der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG.
Die Parteien haben den zugrunde liegenden Rechtsstreit durch außergerichtlich ausgehandelten und gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich beendet. Dieser enthält eine Kostenregelung dahin, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Der Beklagten ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Das LG hat durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss eine Kostenausgleichung dahin vorgenommen, dass die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 213,50 EUR zu erstatten hat. Es handelt sich dabei um die Hälfte der von der Klägerin vorausgezahlten Gerichtskosten i.H.v. 427,00 EUR. Das LG hat zur Begründung ausgeführt, der Kostenausgleich sei gem. § 29 Nr. 2 GKG durchzuführen. Die abweichende Regelung nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG betreffe nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur den Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG).
Die Beklagte meint, sie dürfe angesichts der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nicht auf dem Umweg der Kostenfestsetzung für die Kosten der Gegenseite zur Tragung der Gerichtskosten mit herangezogen werden. Die vom LG vorgenommene Unterscheidung zwischen Übernahmeschuldner und Entscheidungsschuldner dürfe jedenfalls dann nicht vorgenommen werden, wenn der Übernahmeschuldner nicht solche Kosten übernommen habe, welche eine nicht bedürftige Partei nach der Lage des Rechtsstreits nicht übernommen haben würde. Sofern die Übernahme dem "üblichen Bild" von Obsiegen und Unterliegen entspreche, dürfe nicht zwischen Übernahmeschuldner und Entscheidungsschuldner unterschieden werden.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Nach der Regelung in § 123 ZPO, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu ersetzen, keinen Einfluss hat, kann die Klägerin von der Beklagten trotz für sie erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Erstattung der ihr entstandenen Kosten verlangen und die von ihr verauslagten Gerichtskosten angesichts der Kostenregelung in dem Vergleich zur Hälfte im Wege der Kostenausgleichung gem. § 106 ZPO gegen die Beklagte festsetzen lassen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zugunsten der Beklagten hat gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ZPO dazu geführt, dass die Staatskasse trotz der Kostenregelung in dem Vergleich keine Gerichtskosten gegen sie ansetzen konnte. Die Schlusskostenrechnung des LG sieht deshalb eine Verrechnung des von der Klägerin gezahlten Vorschusses von 1.281,00 EUR mit den nach dem Vergleichsabschluss auf 427,00 EUR reduzierten Gerichtskosten (1,0-Gebühr gem. Nr. 1211 GKG-KostVerz.) vor. Der Überschuss von 854,00 EUR ist an die Klägerin ausgezahlt worden. Diese hat die nach dem Vergleichsabschluss verbliebenen Gerichtskosten daher zunächst allein getragen. Ihre Kostenhaftung beruht insoweit auf § 22 Abs. 1 GKG.
Dem Regress der Klägerin gegen die Beklagten gem. § 123 ZPO steht auch nicht entgegen, dass die Staatskasse gegenüber einem Entscheidungsschuldner nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dessen Gegner nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG gehindert wäre, dessen Kostenhaftung geltend zu machen, sodass mangels eigener Kostenhaftung in einer solchen Konstellation dann auch kein Kostenregress gem. § 123 ZPO gegenüber der bedürftigen Partei möglich wäre. Denn die Privilegierung in § 31 Abs. 3 S. 1 GKG ist ausdrücklich auf den Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG) beschränkt und gilt nicht für denjenigen, der die Kostenlast ganz oder teilweise im Vergleichswege übernommen hat. Eine Erstreckung der Regelung in § 31 Abs. 3 S. 1 GKG im Wege der Analogie auch auf den Übernahmeschuldner kommt nicht in Betracht, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 – III ZB 11/03, NJW 2004, 366 [zu §§ 54 Nr. 2, 58 Abs. 2 S. 2 GKG a.F.] <= AGS 2004, 59>; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 – 3 U 298/10, NJW 2012, 2049; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.2.2010 – 4 W 2/10, MDR 2010, 595). Der Gesetzgeber hat es auch bei der Neufassung des GKG im Jahr 2004 bewusst bei der Beschränkung der Privilegierung aus § 31 Abs. 3 S. 1 GKG auf den Entscheidungsschuldner belassen, um Kostenmanipulationen zulasten der Staatskasse auszuschließen (OLG Hamm, Beschl. v. 11.5.2012 – 25 W 9/12,...