GVG §§ 198 ff. GKG §§ 12, 12a, 14 FGO § 79a Abs. 1 Nr. 5
Leitsatz
- Der Beschluss, die Zustellung der Klage von der Zahlung der Verfahrensgebühr abhängig zu machen, kann nicht durch den Berichterstatter allein getroffen werden.
- Gem. § 14 Nr. 2 GKG gilt § 12 GKG nicht, wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht. Die Gebührenfreiheit i.S. dieser Vorschrift ist die in § 2 GKG geregelte Kostenfreiheit. Sie gilt insbesondere für den Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen.
BFH, Beschl. v. 12.6.2013 – X K 2/13
1 Sachverhalt
Der Kläger hattte eine Entschädigungsklage gem. §§ 198 ff. GVG wegen der Dauer des beim V. Senat des BFH geführten Verfahrens erhoben.
Die Kostenstelle des BFH erteilte dafür eine Kostenrechnung in Höhe von 275,00 EUR. Darin wurde dem Kläger gleichzeitig mitgeteilt, dass die Klage dem Beklagten erst nach Zahlung der Verfahrensgebühr zugestellt werden solle, die Bearbeitung der Klage daher vorläufig bis zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs zurückgestellt werde.
Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Entschädigungsklage hat der Senat zurückgewiesen, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe.
Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung wurde zurückgewiesen, da die Kostenrechnung rechtmäßig sei. Die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung komme nicht in Betracht.
Der Kläger besteht darauf, einen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens zu haben, ohne dass er zuvor Gerichtskosten zahle.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten von 275,00 EUR zuzustellen.
1. Der Senat wertet das Begehren des Klägers als Antrag, dem Verfahren ohne vorgängige Zahlung der Gerichtskosten Fortgang zu geben.
Über den PKH-Antrag sowie die Erinnerung ist bereits unanfechtbar entschieden. Nach dem aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitenden Gebot der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften (vgl. u.a. Senatsbeschl. v. 23.4.2009 – X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443, sowie BFH-Beschl. v. 22.6.2010 – VIII B 12/10, BFH/NV 2010, 1846, u. v. 23.4.2012 – III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328) kann dem Anliegen des Klägers nur noch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Senat das Verfahren betreibt, ohne dass der Kläger zuvor die Kostenrechnung begleicht.
Der Senat hat daher über diese Frage zu beschließen.
2. Der Senat entscheidet gem. § 10 Abs. 3 Hs. 2 FGO in der Besetzung von drei Richtern. Eine Zuständigkeit des Berichterstatters gem. § 79a Abs. 1, Abs. 4 FGO i.V.m. § 155 S. 2 Hs. 2 FGO besteht nicht.
Zwar sind grundsätzlich die zuletzt genannten Vorschriften in Entschädigungsklageverfahren nach §§ 198 ff. GVG anwendbar (vgl. im Einzelnen Senatsbeschl. v. 20.2.2013 – X E 8/12, BFH/NV 2013, 763). Indes handelt es sich bei dem Beschluss, mit dem über den Fortgang des Verfahrens ohne vorherige Zahlung der Kosten entschieden wird, nicht um eine der in § 79a Abs. 1 FGO abschließend genannten Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Entscheidung "über Kosten" i.S.v. § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Bei der Frage, ob das Verfahren nunmehr durchzuführen, namentlich die Klage zuzustellen ist, ist zwar zu prüfen, ob die Kosten zuvor gezahlt sein müssen und gegebenenfalls tatsächlich gezahlt wurden. Unter beiden Aspekten wird jedoch keine Entscheidung "über Kosten", sondern eine Entscheidung über den Verfahrensfortgang getroffen. Kostenfragen sind in deren Rahmen lediglich Vorfragen. In ähnlicher Weise entscheidet über die PKH außerhalb der besonderen Konstellationen des § 79a Abs. 1 Nr. 2, 3 FGO ebenfalls nicht der Berichterstatter allein.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Zustellungsverfügung einer Klage gem. § 79 Abs. 1 S. 1 FGO in den Zuständigkeitsbereich des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters (entsprechend § 79a Abs. 4 FGO) fällt (so etwa Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 71 FGO Rn 12, m.w.N.; Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl., § 71 Rn 3; Schoenfeld in Beermann/Gosch, FGO § 71 Rn 18 f.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 FGO Rn 2 beschränkt die Zustellung auf den Vorsitzenden), da im vorliegenden Fall durch Beschluss zu entscheiden ist.
3. Die Zustellung der Klage ist von der vorherigen Zahlung der Gebühr abhängig zu machen.
a) Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GKG soll in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Nach § 12a GKG ist in Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren und strafrechtlicher Ermittlungsverfahren § 12 Abs. 1 GKG entsprechend anzuwenden. Wie die Überschrift des Siebzehnten Titels des GVG zeigt ("Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren"), sind damit die Klagen gem. §§ 198 ff. GVG gemeint, zu denen auch das vorliegende Verfahren gehört.
Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass damit nicht die Feststellung verbunden ist, das Verfahren V S 27/12 (PKH) sei tatsächlich "überlang" gewe...