JVEG §§ 5, 6
Leitsatz
- Beim Fahrtkostenersatz nach § 5 JVEG geht der Senat in std. Rspr. und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. LSG Erfurt v. 27.9.2005 – L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind, wobei weitere Ausnahmen dann zu akzeptieren sind, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind, wie z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen (vgl. LSG München v. 2.7.2012 – L 15 SF 12/12).
- Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand i.S.v. § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind.
Bayerisches LSG, Beschl. v. 15.5.2014 – L 15 SF 118/14
1 Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem JVEG wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin.
In dem am Bayerischen LSG geführten Rechtsstreit des Antragstellers fand am 13.3.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Die auf 12.15 Uhr geladene mündliche Verhandlung dauerte von 12.05 Uhr bis 13.30 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung. Er gab an, um 8.00 Uhr von zu Hause weggefahren, um 11.50 Uhr vor dem Sitzungssaal eingetroffen und um 17.30 Uhr wieder daheim gewesen zu sein. Die Fahrtstrecke mit dem Pkw habe insgesamt 298 km betragen; als Parkgebühr seien 8,00 EUR angefallen. Weiter beantragte er eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis, weil er wegen des Gerichtstermins einer Tätigkeit in Haus und Garten nicht nachgehen habe können, und für Zehrkosten.
Als Entschädigung wurden dem Antragsteller 103,50 EUR bewilligt. Erläutert wurde die Abrechnung dem Antragsteller auf dessen telefonische Nachfrage hin mit Schreiben des Kostenbeamten. Daraus ist ersichtlich, dass bei der Fahrtstrecke den Angaben des Antragstellers gefolgt worden ist. Bei der Entschädigung für Zeitversäumnis wurde hingegen nur eine Abwesenheitszeit von 9.30 Uhr bis 15.30 Uhr berücksichtigt, da sich – so der Kostenbeamte – aus Routenplanern eine Fahrtdauer von 1,5 Stunden ergebe und daher bei Berücksichtigung von Vor- und Nachbereitungszeiten nur von einer notwendigen Abwesenheitszeit von 6 Stunden (Abreise zu Hause um 9.30 Uhr, Rückkehr um 15.30 Uhr) auszugehen sei. Zehrkosten könnten bei einer notwendigen Abwesenheitsdauer von 6 Stunden nicht erstattet werden.
Dagegen hat sich der Antragsteller gewandt und begründet, warum er die bei der Abrechnung erfolgte Kürzung der von ihm angegebenen Abwesenheitsdauer von zu Hause für lebensfremd halte. Um nicht das rechtzeitige Ankommen bei Gericht zu gefährden, habe er bei der Anreise einen entsprechenden Zeitpuffer eingebaut; seine Überlegungen hat er ausführlich dargelegt. Dass er nach der Verhandlung eine Mittagspause in einem Restaurant mache, sei nicht lebensfremd. Da er mit der Kürzung nicht einverstanden sei, beantrage er die gerichtliche Festsetzung.
2 Aus den Gründen
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gem. § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 13.3.2014 ist auf 124,25 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gem. § 191 SGG wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren i.S.d. § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gem. § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gem. § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. BGH v. 5.11.1968 – RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (std. Rspr., vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rn 12 – m.w.Nachw.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (std. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 8.5.2014 – L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rn 12 – m.w.Nachw.).